Fest, zugewandt und offen

Predigt zu Epheser 1,15-23

zum Himmelfahrtstag 2021 im Gemeindeforum Auerberg, Bonn

Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,

höre ich nicht auf, zu danken für euch,

und gedenke euer in meinem Gebet,

dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus,

der Vater der Herrlichkeit,

euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung,
ihn zu erkennen.

Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid,

wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist

und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde,

mit der er in Christus gewirkt hat.

Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel

über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.

Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles,

welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

 

Guter Gott, öffne du uns Augen und Herzen, dass wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind und dankbar werden.

So hilf beim Reden und beim Zuhören und in beidem, hilf beim Predigen. Amen.

 

Liebe Gemeinde, ob Sie auf Anhieb schon viel verstanden haben von diesem Text?

Vielleicht nur soviel: Da macht einer in gehobener Sprache viele hehre Worte über Gott und die Welt und lobt in diesen die Gemeinde, für die er dankbar ist.

Das mag reichen, um schon ein wenig verwundert zu sein, in Zeiten, da wir über Kirche doch vielfach anderes hören und lesen.

Da muss einer Drogen genommen haben oder ein religiöser Fanatiker sein oder… oder es müssen einem schon erleuchtete Augen des Herzens gegeben sein, um so über die Kirche reden zu können.

Wer aber sagt, dass dieses Wunder nicht auch heute geschehen könnte, unser Gebet erhört werden könnte, und Sie heute aus der Kirche gehen und sie mit anderen Augen sehen, als noch vor dem Läuten der Glocken?

Die Kirche:

Als Institution in der Krise wie alle Institutionen und als Organisation hilflos paddelnd bei stürmischem Wind, der uns mal mit einer kräftigen Austrittswelle zurückwirft, mal finanziell auf Grund laufen lässt, dann geht mal wieder ein Mann – oder ein paar mehr – über Bord und schwächt die Mannschaft, die sich von Optimierungsprozess zu Optimierungsprozess getrieben sieht.

Und dann gibt es noch die wilde Piraterie jener, die die Kirche als Selbstbedienungsladen missverstehen und nicht davor zurückschrecken, sich ihrer zu bedienen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wie Macht, Selbstdarstellung, Vorteilsnahme oder auch – und es empört zu Recht – ihrer unbefriedigten Sexualität.

Ein nüchterner Blick auf die Kirche bei dem die Augen vielleicht nur glänzen, weil einem zum Heulen zu Mute ist.

Aber ist das unser Blick?

II.

„Er gebe Euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid…“

Um einen Perspektivwechsel geht es offenbar dem Schreiber des Epheserbriefes.

Und er macht es vor, wenn er dankt für den Glauben, der in einer Gemeinde gelebt wird und die Liebe, die Menschen miteinander verbindet und die Hoffnung, die sie trägt: „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken.“

Das ist eine neue Perspektive: Dass wir erst einmal mit dem Danken anfangen. Als Gemeindeglieder, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haupt- und Ehrenamt, als Presbyterinnen und Presbyter, als Pfarrerinnen und Pfarrer.

Wenn wir das nicht mehr können, dankbar zu sein für diese Gemeinde, diese Kirche, wieso erwarten wir dann, dass die Gesellschaft ihr mit Achtung und Respekt begegnet?

Um einen Perspektivwechsel geht es, darum, dass wir unseren Blick nicht gefangen nehmen lassen von dem, was wir alles Negatives sehen können an der Kirche.

Denn das ist es nicht, was die Kirche ausmacht.

Das ist nicht ihr Wesen, und es muss darum auch nicht so bleiben.

Nichts von dem, was wir tun oder lassen, was wir versäumen oder verpatzen, was wir ignorieren oder arrogant eliminieren, nichts davon muss so bleiben, wie es ist.

Denn das Wesentliche ist nicht das, was vor Augen steht. Wie heißt das noch beim kleinen Prinzen: Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Er gebe Euch erleuchtete Augen des Herzens.

III.

Und was gibt es da zu sehen?

Der Schreiber spricht vom Glauben an den Herrn Jesus, er spricht von der Liebe zu allen Heiligen und lobt die Hoffnung zu der wir berufen sind.

Diese drei Begriffe kennen wir auch vom Apostel Paulus her als die Grundtugenden des Christenmenschen: Glaube, Liebe und Hoffnung.

Glaube als das „Sich-Fest-machen“ an Gott.

Liebe als das „Sich-Zuwenden“ zum andren und

Hoffnung als das „Sich-Öffnen“ für Gottes Reich.

 

Fest, zugewandt und offen – so ist sie, die Kirche, für die der Schreiber dankt.

Und eh wir jetzt daraus wiederum einen Leistungs- und Reformstress fordern, lasst uns noch ein wenig beim Text bleiben. Denn im Lesen der Schrift und im Hören auf Gottes Wort lebt und erneuert sich die Kirche.

„Fest, zugewandt und offen“ ist die Kirche, aber nicht aus sich selbst heraus: Das wird deutlich, wenn der Schreiber Gott dankt. Wird deutlich, wenn er für die Kirche betet.

Nicht aus sich selbst heraus ist die Kirche fest, zugewandt und offen, sondern weil Gottes Stärke in uns wirkt.

Darum dankt der Schreiber Gott für Glaube, Hoffnung, Liebe mitten unter uns, weil Gottes Stärke in uns wirkt.

Jene Stärke, mit der Gott Christus von den Toten auferweckt hat und eingesetzt hat zur Rechten im Himmel und zum Haupt der Gemeinde.

IV.

Das Bild gilt es noch einmal zu verstehen: Eingesetzt zur Rechten Gottes, als Haupt der Gemeinde, die sein Leib ist.

Es gibt in der Vorstellungswelt des Schreibers den Himmel und die Erde und dazwischen Sphären voller Mächte und Gewalten.

Und Christus ist es, der allen Mächten und Gewalten zum Trotz den Himmel und die Erde verbindet – und dazu gebraucht er uns.

Denn wir sind Christi Leib, mit dem Christus hier mit beiden Beinen auf der Erde steht. Wir stehen mit beiden Beinen auf der Erde. Aber mit unserem Haupt Christus, strecken wir den Kopf schon einmal aus in himmlische Sphären.

Wir sind als Gemeinde insofern immer ausgespannt zwischen Himmel und Erde. Es kann uns nicht wurscht sein, was hier auf Erden geschieht. Aber wir gehen auch nicht darin auf. Weil wir um den Himmel wissen, lassen wir die Erde nicht so, wie sie ist.

So gehört denn für den Schreiber des Epheserbriefes immer beides zusammen: Der Himmel und die Erde, Gottes Reich und unsere Welt, die Ewigkeit und die Zeit.

Und wir, als Gemeinde Jesu Christi, sind es, die beides miteinander verbinden. Weil wir in der Welt leben und doch den Himmel ahnen. Weil wir Menschen sind und doch Glieder am Leibe Christi, der in und mit uns Gestalt gewinnt auf dieser Erde.

So gehört denn beides gehört zusammen, das Reden von Christus und sein Lob der Gemeinde.

Vielleicht, liebe Gemeinde, reden wir manchmal so schlecht von der Kirche und unserer Gemeinde, weil wir diesen Zusammenhang nicht mehr sehen, weil wir das Geheimnis der Gemeinde preisgeben und Kirche reduzieren auf die weltliche Institution und ihre Organisation und ihr Versagen.

Kirche ist aber mehr und niemals ohne Christus. Und sie findet ihre Aufgabe darin, Himmel und Erde zu verbinden.

V.

Die Gemeinde ist der Leib Christi und er das Haupt.

Das heißt zugleicht: In der Gemeinde ist Christus gegenwärtig unter uns.

Das ist die Paradoxie, die wir zu verstehen mit der Historisierung des Festes verlernt haben. Himmelfahrt erzählt eben nicht davon, dass Jesus von uns genommen ist, sondern dass er uns gegeben ist.

Gerade darin geht es aber nicht um Jenseitigkeit sondern um Diesseitigkeit. Es geht nicht um Weltferne, sondern gerade darum, dass wir uns in diese Welt einmischen.

Furchtlos, ja gar ein wenig respektlos gegenüber allem, was Macht beansprucht. Einmischen!

Wenn es denn aktuell ums Einmischen geht, dann will ich gerne auf den Anschlag gegen die Synagoge in Bonn eingehen.

Der Anschlag auf die Synagoge in Bonn ist einmal mehr ein Ausweis dafür, wie angefeindet jüdisches Leben in Deutschland und auch in Bonn ist, und das aus unterschiedlichen Quellen. 

Doch auch wenn die Täter unterschiedliche Hintergründe haben, die Taten verschiedenen Mustern folgen, die Anlässe ganz anderer Art sein mögen: Sie gründen immer im Hass gegen Menschen jüdischen Glaubens und Lebens und münden in Taten der Gewalt. Wir verurteilen Hass und Gewalt!

Vor diesem Hintergrund appellieren wir an alle gesellschaftlichen Akteure guten Willens, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten diesem Hass entgegenzutreten in Worten und Taten. Dies schließt auch ein, nicht zuzulassen, dass sich Antisemitismus als Israelkritik verkleidet, in unserem Land breit macht.

Wir erwarten von den Institutionen des Staates ein entschiedenes Handeln in Prävention und Strafverfolgung von antisemitischen Straftaten sowie den konsequenten Schutz von jüdischen Einrichtungen.

Ich habe gestern in einem Brief an die Synagogengemeinde und dann auch noch einmal im persönlichen Gespräch erklärt: "Als Christenmenschen sehen wir unsere Verstrickung in die Schuldgeschichte des Antijudaismus und leiten daraus `Umkehr und Erneuerung´ von kirchlicher Praxis und Theologie im Blick auf jüdischen Glauben und jüdisches Leben ab. Wir wollen Ihnen gerne versichern, dass wir an Ihrer Seite stehen und Sie sich auf uns verlassen können!“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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