Predigt zu Philippper 1,12-21

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde, dem Evangelium geht es gut – und das reicht zur Freude, heute, am Sonntag Lätare, mitten in der Passionszeit. „In dir ist Freude, in allem Leide...“

I.
Auf der Suche nach der Freude an diesem Sonntag landen wir zunächst im Gefängnis. Da sitzt der Apostel Paulus und ihm ist völlig ungewiss, was denn mit ihm geschehen wird: Freiheit oder Todesstrafe.

Wie denn viele sitzen in der Zelle des Todes um ihres Glaubens willen. Gut, wenn man denn mal einen Namen erfährt, ein Gesicht sich verbindet mit dem Skandal, dass Menschen um ihres Glaubens willen vor Gericht gestellt werden.

Im Gefängnis also auch er, Paulus, nun gefragt von den Philippern, wie es ihm denn gehe, antwortet er: „Dem Evangelium geht es gut“.

So jedenfalls hört sich das für mich an: Was mir zugestoßen ist, hat dem Evangelium gut getan. Und weil es dem Evangelium gut geht, freue ich mich: Wenn nur Christus verkündigt wird, auf mancherlei Weise, dann freut mich das...

Ich stelle mir das vor: ich bin gefangen, vielleicht nicht gerade in einem Gefängnis, aber zum Beispiel von einer Krankheit, es geht um Leben und Tod, und die mich besuchen fragen: „Wie geht es dir?“ Und ich antworte: „Dem Evangelium geht es gut – und darum freue ich mich“.

Ehrlich gestanden, kann ich mir das nicht vorstellen. So mag vielleicht ein Apostel reden. Aber vielleicht hilft es uns ja, unserer Larmoyanz die Freude entgegenzusetzen. Also, lasst uns die Freude wieder lernen.

II.
Liebe Gemeinde, dass wir auf der Suche nach der Freude erste einmal im Gefängnis landen, sollte uns zu denken geben.

Vielleicht weist es uns darauf hin, dass die Freude gefesselt ist, gebunden in Vorstellungen vom schnellen Glück und leichtem Leben.

Mir Gebundenem wird eingeflüstert, worüber und weswegen ich mich zu freuen habe, wie ich mein Glück mache.

Die Spaßgesellschaft hat ein reiches Angebot an vorgeblichen Freudenmeistern und Glücksbringern und immer schwingt die fatale Weisheit, nein Falschheit, mit: „Jeder ist seines Glückes Schmied“.
Da geht es dem Evangelium nicht gut. Diese „Freuden“ sind eine Flucht aus der Welt ohne die frohe Botschaft.

Paulus aber kann trotz Gefängnis, fern ab von dem, was uns angeblich Freude machen soll, von Freude reden – nirgendwo so sehr wie in diesem Brief aus der Gefangenschaft: 15 mal ist von „Freude“ und „sich freuen“ in diesem Brief die Rede.

Am eindrücklichsten wohl an jener Stelle, die einem Kandidaten der Theologie durch die Bibelkundeprüfung half. „Was steht im Philipperbrief“, fragte der Prüfer: „Freuet euch!“ antwortet der Kandidat. Das aber war dem Prüfer doch etwas zu wenig und er bohrt nach: „Und was noch?“ – Darauf der Kandidat: „Und abermals sage ich – freuet euch!“

Liebe Gemeinde, in all den Gefängnissen, in denen wir gefangen sind, dicht neben unserem Weh und Ach, die Freude aufzuspüren, darum geht es.

Im Licht des Evangeliums die Freude zu entdecken, sie also quasi aufzudecken, darum geht es.

In unserem Leiden an der Welt, den Verhältnissen, der Kirche und dieser unserer Gemeinde, die Freude zu entdecken, darum geht es.

Zu entdecken, dass die Freude dem Ernst des Lebens folgt wie das F auf das E, dass Freude und Leid wie zwei unzertrennbare Geschwister sind. Die Tränen der Trauer quellen aus den gleichen Augen wie die der Freude.

Echte, tiefe Freude wird der Oberflächlichkeit einer Spaßgesellschaft nicht erliegen, wird die dürren, dunklen Täler nicht umgehen, sondern jenes: „In dir ist Freude – in allem Leide“ entdecken, von dem das alte Kirchenlied singt.

III.
Also eine andere, eine tiefere Art der Freude, darum geht es. Eine, Freude, die nicht begründet ist in Äußerlichkeiten und bloßem Wohlergehen.

„Hauptsache gesund“ – das ist ein Wunsch, den wir alle kennen. Wer wollte bestreiten, dass Gesundheit ein ganz wertvolles Gut ist. Aber: Ist es wirklich das höchste Gut? Die Hauptsache?

Was ist die Gesundheit wert, wenn die Lebensfreude fehlt? Oder wenn du in ständigem Streit leben musst? Oder wenn du ohne Liebe leben musst? Hauptsache gesund?

Der Apostel sagt: Hauptsache, das Evangelium. Hauptsache, Christus. Und daraus wächst Freude, selbst in der Gefangenschaft unseres Lebens.

Ich will’s zu verstehen versuchen. Evangelium, das ist für Paulus sozusagen das Wichtigste überhaupt. Evangelium, die gute Nachricht von Jesus Christus.

Was aber ist das für eine Nachricht?

Hören wir den Apostel doch selber. Ich greife aus seinen Briefen eine Stelle heraus, an der es mir immer wieder eindrücklich wird, was die gute Nachricht eigentlich ist – Römer 8:

„Was sollen wir nun sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?... Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? ... Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“

Ich bin geliebt. Das ist die Hauptsache.

Und nichts kann mich von dieser Liebe trennen. Nicht einmal ich selbst, weder mit meinem Egoismus und meiner Eitelkeit, noch mit meinem Selbstzweifel und meinem schlechten Gewissen.

Geliebt zu sein, das ist dem Apostel die Basis, die das Leben trägt und dem Tod den Schrecken nimmt: „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn...“


IV.
Wenn dem aber so ist, dass dieses Evangelium, diese gute Nachricht unser ganzes Leben umfasst, mit seinen Höhen und Tiefen, mit Glück und Leid, dann kann es nicht sein, dass nicht auch die dunklen Seiten des Lebens von diesem Evangelium erhellt werden.

Ich fand bei dem Schweizer Theologen Rudolf Bohren dafür ein schönes Bild. Bohren schreibt in seinem Buch „In der Tiefe der Zisterne“:

„Im Reifeprozess sammelt sich beim Emmentaler Käse ein wenig Salzwasser in seinen Löchern - und so schmeckt der Käse besonders gut. Dem Menschen geht es wie dem Käse. Im Reifeprozess seines Lebens bekommen wohl alle irgendwelche Löcher in der Seele, in denen sich Bitteres sammelt. Gerade deswegen liebt ihn Gott, und es ist ein Irrtum, zu meinen, eine christliche Seele müsse einem Pudding gleichen und durch und durch süß sein. Jesu Jünger sind nicht der Zucker aller Welt, sondern das Salz der Erde. Wie sollte ich da all das Bittere, das sich in mir angesammelt hat, nicht dem überlassen, der alles neu macht. Und es ist ein Irrtum, zu meinen, christliche Seelen dürften keine Löcher haben. Darauf kommt es nicht an, wie große und wie viele Löcher einer in seiner Seele hat ... vielmehr kommt es darauf an, dass ich auch mit gelöcherter Seele Jesu Christi eigen bin, dann ist das Bittere und Schwere in meiner Seele nicht mehr meine, sondern seine Sache."

Denn Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn.

V.
Nun muss man natürlich sehen, dass dieser Trost im Leid auch für den Apostel ganz klar mit Hoffnung verbunden ist. Zum Trost gesellt sich die Hoffnung wie zum Tag das Licht.

„... denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird...“ und „ich hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werden, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde...“

Es geht nicht um Weltflucht. Da wäre das „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn...“ völlig einseitig missverstanden.

Es geht ja nicht um eine romantische Todessehnsucht. Sondern darum, dass dem Apostel um Jesu Christi willen Tod und Leben gleichwertig werden.

Nein, der Apostel flieht nicht, sondern er hofft für dieses Leben.

Das muss man sehen, dass für den Apostel – und ich denke es gilt für alle Hoffnung - Hoffnung sich nicht auf ein abstraktes Jenseits bezieht, sondern dass im Hoffen das Gehoffte immer schon anwesend ist.

Dass die Hoffnung dem Leben Möglichkeiten gibt, Perspektiven gibt, Weite gibt.

Darin ist die Hoffnung dem Gebet der Gemeinde vergleichbar, ein Warten voll Gegenwart, ein Fragen voll Antwort, ein Hoffen voll Erfüllung.

„Denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch Euer Gebet.“ Wir sollten, liebe Gemeinde, unsere Fürbitte für die Menschen in der Tiefe der Zisterne nicht gering schätzen. Sie könnte ihnen zum Grund der Hoffnung werden und zur Freude gereichen, mitten im Leide.

VI.
„...so freue ich mich darüber...“ Und worüber freuen Sie sich... Wie ist das mit ihrer Freude an der Gemeinde? Mit Hilfe unseres Predigttextes habe ich die Freude an unserer Gemeinde wiederentdeckt. Und ich möchte Sie gerne dazu ermuntern, sie für sich ebenfalls wieder zu entdecken.

Dazu gehört wohl jene Gelassenheit, die aus dem Gottvertrauen wächst, von dem wir bisher gehört haben. Jene Gelassenheit, die sagen kann: Hauptsache Christus wird verkündigt – auf welche Weise auch immer und unter welchem Vorwand auch immer.

Es mag ja sein, liebe Gemeinde, dass andere ihre Frömmigkeit anders leben als ich. Es mag ja sein, dass andere ein anderes Bild von Gemeinde vor Augen haben. Es mag ja sein, dass der neue Pfarrer nicht ist wie der alte, die Frauen auf der Kanzel nicht wie die Männer, die Gäste nicht wie die Platzhirsche…

Es mag ja sein, dass ihre Motive mehr Eitelkeit und Geltungssucht sind, als Gottesliebe und Menschenfreundlichkeit – „Was soll‘s?“ – fragt der Apostel. „Was soll’s?“ Hauptsache, Christus wird verkündigt. Hauptsache die Botschaft von der Liebe Gottes zieht ihre Kreise.

Hören wir auf, zu meinen, das Evangelium stehe oder falle mit mir oder meiner Art und Weise, es zu verkünden. Fangen wir eher an, uns an der Vielfalt zu freuen, in der es in unserer Gemeinde gelebt und geglaubt wird.

Wenn nur Christus verkündigt wir auf mancherlei Weise, so freue ich mich darüber.

Amen.

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