Neuer Bund und alte Treue


Predigt zu Jeremia 31,31-34
in der Johanneskirche Troisdorf

Liebe Gemeinde,

zwischen Heil und Heil das Jetzt. Zeit im Dazwischen. Nicht gut, nicht böse – bloß kein Heil. Nicht mehr und noch nicht. Unsere Zeit.

Der Sonntag Exaudi – zwischen Himmelfahrt und Pfingsten – führt uns dieses Dazwischen unserer Existenz vor Augen und weiß um die Sehnsucht nach mehr,

der Sehnsucht, die uns Menschen umtreiben kann in diese Zeiten,

die Sehnsucht nach einer Zeit, in der „alle Menschen Brüder sind“,

der Zeit, in der „die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Bruderschaft gemeinsam niedersetzen können“,

der Zeit, „in der Gott abwischen wird alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“,

jener Zeit, in der „Wolf und Lamm beieinander weiden und der Löwe Stroh fressen wird wie das Rind…“

Der Sonntag weiß um die Sehnsucht nach Gottes neuer Welt und ruft daher: „Exaudi, Domine, vocem meam…“ „Höre Gott, meine Stimme… neige dich zu mir!“

In diesem Dazwischen versucht uns heute der Prophet Jeremia eine Orientierung zu geben. Er schreibt (Jer 31,31 34).

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR,
da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,

nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss,
als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen,
mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;

sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR:

Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben,
und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“

II.
Liebe Gemeinde, ich höre diese Worte in dieser Woche sehr genau. Sie erzählen etwas von dem Unvermögen der Menschen, treu zu sein und von Gottes unverbrüchlicher Treue, trotz aller Untreue.

Ich höre diese Worte in der Woche, in der der amerikanische Präsident zum zweiten Mal Bündnisse, die international geschlossen wurden, verlassen hat.

Nach dem Dafürhalten vieler sicher besser informierter und in der Weltpolitik hoffentlich klügerer Menschen als wir das sind, ein folgenschwerer Schritt. Denn er stellt infrage, was international geschlossene Bündnisse noch zählen, wenn sich die Supermacht Amerika nicht mehr als verlässlicher Partner erweist.

Auf welche Deals kann man sich dann noch verlassen? Welche Angebote kann man schwierigen Partnern noch machen, die sie abbringen sollen vom Streben zu atomarer Bewaffnung und skrupellosem Expansionismus?

Und dabei wissen wir doch von Kindesbeinen an, liebe Gemeinde, dass Vertrauen dort gelingt, wo ich mich auf andere verlassen kann. Dass ich Bündnisse fürs Leben brauche, auf die ich setzen kann.

Wie wir es auch von Kindesbeinen an lernen mussten, dass wir Menschen wankelmütige Bündnispartner sind. Dass Worte gebrochen werden und Bündnisse nicht halten.

Enttäuschungen, Verletzungen, Niederlagen sind Erfahrungen, die wir Menschen mit uns Menschen machen – im Privaten, aber auch im globalen Maßstab.

III.
Wir stehen mit dieser enttäuschenden Erfahrung nicht allein dar.

Unser Predigttext erzählt von Gottes Erfahrung, dass Menschen den Bund, den er mit ihnen geschlossen hat, gebrochen haben.

Jenen Bund, als er sein Volk an der Hand nahm und aus der Sklaverei führte… Ein schönes Bild für den Gott, der mitgeht: der Menschen an die Hand nimmt und in die Freiheit führt.

Und zugleich weckt dieses Bild in mir die Assoziation des Kleinkindes, das sich losreißen möchte von der Hand des Vaters oder der Mutter, sich trotzig auf den Boden wirft und mit den Beinen strampelt.

So ist es, sagt der Prophet. Ja, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl ich für sie da war. Ja, die Menschen reißen sich los. Und je größer ihre Hybris desto trotziger die Flucht, je grenzenloser die Egomanie, desto frecher das Wort.

Ja, so ist es, aber…

Aber wo Menschen untreu werden, bleibt Gott sich treu.
Wo sie fliehen, sucht er ihre Nähe.
Wo sie wortbrüchig werden, spricht er: So spricht der HERR.

„Ich will einen neuen Bund schließen…“

Gott bleibt sich treu.

Getragen nur von dem einen Willen, verlässlicher Partner der Menschen zu sein, vergibt er die Missetat und gedenkt nimmermehr der Sünde.

Getragen von dem einen Willen, verlässlicher Partner der Menschen zu sein, verheißt er einen neuen Bund, einen, der nicht in Stein gemeißelt wird oder auf Papier signiert, breit grinsend in die Kameras gehalten, sondern einen, der ins Herz geschrieben ist und in den Sinn der Menschen.

Gott ist treu…


IV.
Liebe Gemeinde, die Treue Gottes…

Sie haben sie ja nicht verstanden, die Menschen.

Dass der neue Bund – weil Gott treu ist -  mit den alten Partnern geschlossen wird, das haben sie nicht verstanden.

Dass Gott sich nicht abwendet von jenen, die seinen Bund gebrochen haben, - er, der erkannt wird daran, dass er ihnen ihre Missetat vergibt und ihrer Sünde nimmermehr gedenkt.

Sondern dass er mit ihnen einen neuen Bund schließen will, es hat nicht ins Konzept gepasst derer, die sich gerne für größer halten als sie sind und besser als jene, mit denen sie leben.

Die Kirche feierte sich als neues Gottesvolk, als hätte sie niemals gehört, dass Gottes neuer Bund wieder und wieder mit seinem Volk Israel geschlossen wird, dass die Propheten es verheißen, Jesus es besiegelt und auch Paulus nicht anders hat denken können: Denn Gott ist sich treu.

Und weil er sich verlässlich treu ist, schließt der seinen Bund mit den alten Partnern.

Die ausgewanderten Europäer, die frommen Konvertiten aus England und Schottland, die Rebellen gegen die britische Krone, die Eroberer der indigenen Völker, die Skavenbesitzer und Ausbeuter der Natur, die Kämpfer für Menschenrechte und Freiheit hielten sich zugute, „God’s own country“ zu sein, als neues gelobtes Land tief im Westen.
(Zum Teil zitiert nach: „Great deal“ in gefährlicher Zeit – Predigt von Bernd Vogel, predigten.evangelisch.de)

Der Glaube daran, als Gottes neues Bundesvolk besser zu sein als andere ist eine der Gründungserzählungen Amerikas und Handlungsleitfaden vieler amerikanischer Präsidenten.

V.
Wie weit vorbei aber ist alle diese Überheblichkeit an dem Bild, das der Prophet von Gottes neuem Bund zeichnet:

Es kommt die Zeit, da werden die Menschen aufhören einander zu bevormunden: Keiner wird den anderen noch seinen Bruder lehren und sage: „Erkenne den Herrn!“.

Es kommt die Zeit, da die unsägliche Besserwisserei, die Ursünde jeder religiösen Eiferer wie auch der Ideologen gleich welcher Ideologie… es kommt die Zeit, da die unsägliche Besserwisserei ein Ende hat, denn sie werden ihn alle erkennen, beide, klein und groß.

Warum auch, sollte ich lehren wollen und belehren, wenn denn Gott seine Weisung in der Menschen Herz gelegt hat und ihnen allen in den Sinn geschrieben hat.

Wo etwas von Gottes neuem Bund aufleuchtet, da brechen die Hierarchien, da ist für die Arroganz des vermeintlich besseren Glaubens kein Platz mehr. Da reden wir auf Augenhöhe und glauben als Herzens- und Sinnesverwandte. Da regieren Weisheit und Demut unter uns und über alle.

VI.
Liebe Gemeinde, es kommt die Zeit…

Das Bild des neuen Bundes ist ein Gegenbild zur Arroganz der Gegenwart.

Nein, wir sind noch nicht da. Wir leben im Dazwischen. Auch Pfingsten schenkt uns nur einen Anfang. Ein wenig Spirit hin zur besseren Welt. Mehr nicht.

So bleibt denn in diesem Dazwischen nur unsere Sehnsucht, unsere Sehnsucht nach Gottes neuer Welt, unsere Sehnsucht, die uns rufen lässt: Exaudi, Domine, vocem meam… Die Sehnsucht bleibt und das Vertrauen, dass Gott Bund und Treue hält ewiglich und niemals preisgibt das Werk seiner Hände.

Amen.



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