Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters..."
Predigt in der Schlosskirche Bonn
im Rahmen der Predigtreihe zum Apostolischen Glaubensbekenntnisam Sonntag Rogate, 25. Mai 2025
Liebe Gemeinde,
das ist schon der Gipfel, auf den uns die Predigtreihe in der Schlosskirche heute führt: „Er sitzt zur rechten Gottes, des allmächtigen Vaters…“
Höher geht es nimmer, aber Gott sei Dank, wird es von da auch wieder herabgehen… davon später mehr.
Ich lade Sie ein, in dieser Predigt mit mir einmal das Bild, das ja einer monarchischen, autokratischen Welt entlehnt ist, dieses Bild demokratisch kritisch zu betrachten, um am Ende sich an seinem anarchistischen Potential zu freuen.
Das hilft mir dann, darüber zu sprechen, warum mein Glauben genau diese Hoffnung braucht, an der sie zweifeln kann.
Was mir schließlich zu einer Frömmigkeit hilft, die zu beten wagt und sich doch herausgefordert fühlt, das Gerechte selbst zu tun zu versuchen.
Also ein kleiner Spaziergang vom Gipfel der Vernunft über Glaube und Zweifel in die irdische Realität von Beten und Handeln.
I.
Fangen wir also noch einmal
ganz oben an – dort im himmlischen Thronsaal, wo der Allmächtige thront und
Seraphime ihm singen und Cheruben die Pforten hüten, dort also sitzt er, zur
Rechten Gottes, Jesus Christus, der Auferstandene und Aufgefahrene, rechte Hand
des Allmächtigen und Mittler der Gläubigen an der Seite des Höchsten.
Inszenierung der Macht.
Ich mag sie nicht, diese Inszenierungen, wenn ich sie sehe… übertragen aus dem Oval Office oder dem Kreml oder Erdogans Palast, wenn sie da sitzen, die mächtigen Männer, auf goldenen Sesseln, breitbeinig als würde ein Kartoffelsack-großes Gemächt es ihnen nicht erlauben, die Beine zu schließen.
Ich halte die Goldornamente an Trumps Kamin oder die weiß-goldene Holzvertäfelung Putins nicht nur für schlechten Geschmack, sondern auch für eine demonstrativ zur Schau getragene Distanzierung der Mächtigen von den täglichen Problemen der Menschen im Land.
Kann man deutlicher zeigen, das einem völlig egal ist, dass andere sich ihre viel zu kleinen Wohnungen nur mit mehreren Jobs leisten können, von der Hand in den Mund leben müssen, dem die Zähne fehlen, was ja eh egal ist, weil es nichts zu beißen gibt… oder sich für ein paar Rubel in den Krieg kaufen lassen, aus dem sie ihren Familien die Turnschuhe und Jogginghosen der Vertriebenen schicken.
„Er sitzt zur Rechten Gottes…“ Echt jetzt? Wollen wir ernsthaft eine solche Inszenierung?
Ein solches Bild von Herrschaft, Autokratie und maximaler Distanz?
Können wir im Jahr eins nach der ForuM-Studie zum sexuellen Missbrauch in der Kirche weiterhin Gottesbilder reproduzieren, die das Potential haben, dass sie missbraucht werden, um Menschen abhängig und gefügig zu machen? Mit der Angst vor dem allmächtigen Gott im Himmel war schon immer Macht auf Erden auszuüben!
Bitte nein!
II.
Liebe Gemeinde, bevor wir
nun den Allmächtigen von seinem Thron stürzen und erst recht, wenn wir dies
tun, dann lassen Sie uns zuvor noch einmal kritisch darauf schauen, was wir retten
müssen und wofür wir eine andere Sprache finden müssten, wenn wir das tun.
Darauf schauen, was das Bild uns vor Augen stellt und wozu es unserem Glauben
hilft.
Mir öffnen dazu die Worte aus dem Psalm 2, die wir am Anfang des Gottesdienstes gesprochen haben, die Augen, das Herz und den Verstand:
„Warum toben die Völker
Und murren die Nationen so
vergeblich?
… der im Himmel wohnt,
lachet ihrer,
und der Herr spottet ihrer.
Einst wird er mit ihnen
reden in seinem Zorn,
und mit seinem Grimm wird er
sie schrecken…“
In diesen Worten, liebe
Gemeinde, wird mir die machtkritische Absicht des Bildes deutlich: Über alle
Mächte und Mächtigen dieser Welt wird eine Macht behauptet, die höher ist, eine
Herrschaft, die mächtiger ist.
Alles, was auf Erden Macht und Herrschaft inszeniert, wird damit kritisch in Frage gestellt: Da ist einer – noch provokanter wäre: da ist eine - , die das Gebaren der Herrscher in der Welt nur lächerlich findet und der Mächtigen spottet.
Alle weltliche Macht und Herrschaft, alle Mächte und Mächtigen werden durch dieses Bild des allmächtigen Gottes entmachtet.
Und die ihm glauben, werden frei. Denn Sie gehören zu ihm, sind sein Volk, und leben in der Erzählung der Freiheit, in die Gott führt, stimmen ein in Mirjams Lobgesang: „Lasst uns dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben. Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt“ (Ex 15,21) und freuen sich an Marias Echo, die singt: „Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und die Reichen lässt er leer ausgehen…“ (Lukas 2, 51f).
So gelesen, entdecke ich ein nahezu anarchistisches Potential des Glaubens: Wer unter der Macht und dem Schirm des Höchsten sitzt, der ist frei gegenüber den Mächtigen der Welt und ihren Machenschaften.
„In der Welt habt ihr Angst, aber ich habe die Welt überwunden…“ haben wir eben gehört.
III.
Unmerklich, liebe Gemeinde,
sind wir aus den Höhen des Thronsaales herabgestiegen in die Sphäre des
Glaubens:
Und der, liebe Gemeinde, lebt ja nicht in formelhaften Bekenntnissen, sondern muss sich im Alltag bewähren. Das Leben ist der Ort des Glaubens.
Und da merke ich, wie mein angefochtener Glaube – angefochten davon, dass die Mächtigen der Welt ihr freches Spiel spielen ohne Rücksicht auf Verluste, und die Reichen immer reicher werden und mächtiger und rücksichtsloser, dass ich tatsächlich für meinen Glauben und mein Leben das brauche: Diese Hoffnung darauf, dass ihre Macht endlich, dass Gottes Heilswille mächtiger ist als das Unheil, das sie anrichten, dass er aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will.
Mein Glaube muss es weitersprechen, das „Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters“, weitersprechen zu dem „von dort wird er kommen, zu richten, die Lebenden und die Toten“.
Mein Glaube braucht die Hoffnung darauf, dass Gott nicht teilnahmslos auf Distanz bleibt, sondern sein Kommen wahrmacht. Dass diese Welt um Gottes Willen nicht so bleibt, wie sie ist, diese Hoffnung, ich gebe sie nicht auf.
Und habe sie doch nie ohne Zweifel. Habe sie nicht ohne das Fragezeichen, das jeder gequälte Schrei einer nicht befreiten Geisel und jede Bombe auf Gaza in den Himmel zeichnen… und ich und Sie könnten noch viel mehr Fragezeichen setzen an die Hoffnung auf einen Gott, der die Welt nicht dem Unheil überlässt.
Liebe Gemeinde, ohne diesen Zweifel ist mein Glaube jedenfalls nicht zu haben.
Er paart sich mit Hadern und Wut und Unverständnis diesem Gott gegenüber, auf den ich hoffe und an dem ich zweifle zugleich. Das „Warum?“, das ich an ihn richte, ist manchmal der letzte Atemzug des Glaubens, ein letztes zaghaftes Festhalten an dem Gott, den ich vermisse.
Es ist ein Paradox: Gerade in dem ich den allmächtigen und zugleich barmherzigen Gott vermisse, wird er mir präsent. Wird gegenwärtig in der Abwesenheit. Paradox.
Kann man damit leben?
IV.
Gemütlich jedenfalls nicht.
Jedenfalls fällt mir vor dem Hintergrund meines Zweifels eine Frömmigkeit schwer, die die Hände faltet und betet und sich damit aus der Verantwortung stiehlt.
Sie tut sich vor dem Hintergrund meines Glaubens aber auch schwer mit der permanenten Überforderung meines guten Menschenwillens, die Welt retten zu wollen.
Und so kann ich denn nicht anders, als das eine zu tun ohne das andere zu lassen: Beten und Handeln.
Gott mit seinen Verheißungen in den Ohren zu liegen, ihn an seine Versprechen zu erinnern, sein Geschehen-Lassen zu klagen und sein Schweigen zornig anzufragen und eben darin doch zu beten und zu hoffen.
Aber eben auch das andere: meine Stimme zu erheben, meine Privilegien nutzen, meine Möglichkeiten etwas zu verändern, so klein und begrenzt es sein mag.
Ich kann nicht anders, als das eine zu tun ohne das andere zu lassen, als zu beten und zu handeln.
Vielleicht ist das, je autoritärer die Regime werden, desto mehr das, was uns aufgegeben wird.
„Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“ schrieb Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis heraus.
Wenn uns dies gelänge, dass wir die Hoffnung, an der wir zweifeln, nicht preisgeben, dass Gottes Wille und Macht die Welt verändern werden, wenn wir ihn darum bitten, und wir darüber nicht müde werden, zu tun, was an uns ist, dann hätten wir den Mächtigen der Welt wenigstens unsere Freiheit entgegenzusetzen.
Dazu schenke uns Gott seinen Heiligen Geist. Kraft, Liebe und Besonnenheit!
Amen.
Danke, lieber Dietmar! Das ist die Predigt, die ich gebraucht habe, nachdem ich heute Morgen frustriert und ratlos aus dem Gottesdienst in der neuen Gemeinde hier nach Hause kam…
AntwortenLöschenLiebe Grüße nach Bonn
Annely