Wir stehen im Morgen - Liedpredigt

Ich muss nachsitzen: Vor den Ferien waren soviel Gottesdienste hintereinander, dass ich nicht dazu kam, die Predigten einzustellen. Jetzt habe ich wieder angefangen und es wird danach gefragt. Also stelle ich nachträglich noch die ein oder andere Predigt ein; z. B. die Liedpredigt in der Predigtreihe: "Singet dem Herrn ein neues Lied" unserer Sommerkirche:


Predigt zu Lied: Wir stehen im Morgen


Liebe Gemeinde, sie merken, heute geht es in unserem Gottesdienst tänzerisch zu.

Das verdanken wir dem Lied, das ich für diesen Gottesdienst ausgewählt habe: „Wir stehen im Morgen“.

Dort ist nicht nur vom Tanz die Rede, sondern die Melodie des Liedes orientiert sich an der Gigue, einem populären Tanz aus dem 17. und 18. Jahrhundert, in der Regel ein Solotanz für Frauen mit zahlreichen Sprüngen und Hüpfern.

Hans-Jürgen Hufeisen hat die Melodie des Liedes in Anlehnung an die alte Tanzform komponiert, Jörg Zink den Text geschrieben:

„Wir stehen im Morgen. Aus Gott ein Schein durchblitzt alle Gräber. Es bricht ein Stein. Erstanden ist Christus. Ein Tanz setzt ein.“

Wir wollen das Lied zunächst miteinander lernen…

[Lernen des Liedes]

Wie ist das eigentlich mit dem Tanz und der Bibel?
Ganz einfach: Verschieden.

Wer als einfacher Christenmensch in seiner Lutherbibel nach dem Wort tanzen schaut, findet es lediglich 9 mal, 6 mal im alten und 3 mal im Neuen Testament.

Und die Kontexte werfen kein klares Licht auf das Tanzen:

Da wird das Volk abtrünnig im Tanzen um das goldene Kalb, was gewiss kein gutes Licht auf das Tanzen wirft.

Und da ist David, der vor der Lade des Bundes her tanzt und damit die Verachtung Michals, der Tochter Sauls auf sich zieht. Er aber sagt: „Ich will vor dem Herrn tanzen, der mich erwählt hat…“

Und deutlich wird, dass das Tanzen an sich wertneutral gesehen wird, fraglich ist nur, vor und für wen und warum ich tanze.

So kann Jesus das Nicht-tanzen gar als Ungehorsam sehen, wenn er in Matthäus 11 sagt: „Mit wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es gleicht den Kindern, die auf dem Markt sitzen und rufen den anderen zu: Wir haben euch aufgespielt und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr wolltet nicht weinen.“

Das freilich hat die Kirche nicht davor bewahrt, in ihrer Geschichte immer wieder das Tanzen zu verbieten. Wird von den alten Kirchenvätern noch berichtet, dass selbst Bischöfe als Vortänzer fungierten, so ist bekannt, das zahlreiche Synoden und Konzilien sich mit dem Tanzen befassten und es zumindest aus dem Gottesdienst verbannten.

Im Mittelalter galt er als teuflisch und auch die Reformatoren konnten ihm nichts abgewinnen, vermutlich deshalb, weil der Tanz – wenn ich mal von dem absehe, was in mancher Tanzschule so gelehrt wird – immer etwas mit Ekstase zu tun hat, mit einer Einheit aus Körper und Seele, Bewegung und Rhythmus und Spiel. Im Tanz ist der Mensch „ergriffen“, der Realität und vorfindlichen Wirklichkeit entrückt, existiert in einer Gegenwelt.

II.
Und damit kehre ich wieder zurück zum Lied:

Es ist ein Osterlied. Und damit ein Lied, das von einer Gegenwelt zu unserer Welt oder besser, unserer Welterfahrung singt.

Christus ist auferstanden.

Das ist Gottes Wahrheit, die vollkommen querliegt zu unserer Wirklichkeit, in der wir den Tod erleben und ihm ausgeliefert sind.

„Es bricht ein Stein – ein Tanz setzt ein“ mag diese Gegenwelten symbolisieren: Hier das harte, schwere, unverrückbare – dort die leichte dynamische Bewegung.

Ostern konfrontiert uns mit Gottes Wahrheit inmitten unserer Wirklichkeit.

Nicht als etwas Zukünftiges, sondern als etwas Gegenwärtiges: „Wir stehen im Morgen….“ Gottes Zukunft hat mit uns bereits begonnen. Der Morgen als Beginn der Neuen Zeit.

Ein kleiner Exkurs: Wenn es uns gelänge, den Morgen wieder zu schätzen… All Morgen ist ganz frisch und neu… Der Beginn des Tages als Verheißung der neuen Welt… Wie fröhlich bin ich aufgewacht, wie hab ich geschlafen so sanft die Nacht, hab Dank, du Vater im Himmel mein, dass Du hast wollen bei mir sein… Vielleicht wären unsere Schritte ins Bad weniger schwer… Ende des Exkurses.

Lassen Sie uns noch einmal die erste und zweite Strophe singen:

III.
Mit dem Ostermorgen beginnt Gottes neue Schöpfung. Darum hat der Tanz gewiss seinen Platz an diesem Morgen.

Denn schon das Alte Testament kann die Schöpfung mit dem Tanzen zusammenbringen. Da ist es Sophia, die Weisheit, die zu Anbeginn war und vor Gott spielte und tanzte.

Der Ostermorgen ist aber auch der Morgen der Befreiung.

Der Tod ist besiegt. Wir lachen ihm frei ins Angstgesicht. Wie das Osterlachen, so hatten auch Tänze in der Osterzeit ihren Sinn. Denn befreite Menschen können tanzen.

Mirjam machte es vor.

Wir können es aber auch näher an uns dran haben.

Die jetzt sterbende Generation ist die Generation der Überlebenden des Zweiten Weltkrieges.

Und wenn ich dann frage: „Wo haben sie sich kennen gelernt?“, dann erzählen sie meist: Beim Tanzen. Eine junge Generation, die den Krieg überlebte und im Tanzen das Leben und Lieben wieder lernte.

„An Ostern, o Tod, war das Weltgericht. Wir lachen dir frei in dein Angstgesicht. Wir lachen dich an – du bedrohst uns nicht!“

IV.
Damit wir aber den Tanz nicht überhöhen, liebe Gemeinde, lassen Sie uns noch einmal in die 4 und 5 Strophe blicken. Denn sie machen deutlich, dass Tanzen alleine nicht genügt:

Liebe Gemeinde, ich habe bei diesem Bild am ehesten eine Polonaise im Blick – und Christus führt sie an. Und sie zieht durch die Welt. Und nimmt mit, wer am Rande sitzt.

Wir können nicht tanzen, ohne die anderen einzuladen, mit zu machen. Der Tanz unseres Lebens kann nicht weltvergessen sein. Denn Gottes neue Schöpfung soll die Welt verändern.

Wo gelitten wird, kann man nicht tanzen. Freiheit muss erfahrbar werden. Die Nachfolge Christi schließt das Engagement für diese Welt ein.

Auf dass auch andere befreit aufspielen und tanzen können.

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