Geheimnis des Glaubens

Predigt zu 1. Timotheus 3,16 in der Christmette 2014
Johanneskirche - die evangelische Stadtkirche in Troisdorf

Der Predigttext für diese Christmette – ein Satz, mehr nicht, ein Wort aber, das das Geheimnis des Glaubens in sich trägt: 1. Timotheus 3,16: 
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch,gerechtfertigt im Geist,erschienen den Engeln,gepredigt den Heiden,geglaubt in der Welt,aufgenommen in die Herrlichkeit.
Nicht wenige unter uns, liebe Gemeinde, werden sich noch daran erinnern, wie wir früher, als wir noch Kinder waren, Achtung und Ehrfurcht hatten vor allem, was ein Geheimnis in sich barg.

Geheimnisse zu haben, machte uns interessant im Kreis der Freunde, Geheimnisse wahren zu können, erwarb uns Respekt und Vertrauen, Geheimnisse ergründen zu können, weckte Neugierde und Forschergeist.

Weihnachten, liebe Gemeinde, hat uns vielleicht einen letzten Rest des Geheimnisvollen bewahrt.

Wir kehren zurück, Jahr für Jahr, ein wenig zurück in die Reste unserer Kinderseele, die wir irgendwo in uns vergraben haben mit allen Verletzungen und aller Sehnsucht, aller Angst und allem Vertrauen.
Weihnachten ist eine große Regression, ein Zurückkehren in die eigene Kindheit. Bei den einen als Imitation, als Nachahmung der vergangenen Kinderwelt, bei den anderen als bewusste Abgrenzung gegenüber dem, was die eigene Kindheit ausmachte.

Somit rührt das Weihnachtsfest an die Geheimnisse unserer eigenen Biografie: Wer wir sind… Wie wir geworden sind, was wir sind… Wer wir hofften, einmal sein zu können…

Nicht, dass ich unterm Weihnachtsbaum stünde, und mir grübelnd diese Fragen ins Ohr sagte. Und doch ist es hin und wieder wie jener Blick durchs Schlüsselloch, den wir wagten, wenn niemand uns sah, ins Weihnachtszimmer, das sein Geheimnis jedoch noch längst nicht preisgab.

II.
Liebe Gemeinde, in einer faustischen Menschheit, die bestrebt ist, zu ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält, haben Geheimnisse einen schlechten Stand. Scheinen Sie doch nur dazu da zu sein, gelüftet zu werden: Auf dass es in den Medien wieder heißen kann: „Eines der letzten großen Geheimnisse der Menschheit wurde gelüftet…“

In einer digitalisierten Gesellschaft, in der es kaum noch etwas gibt, was im Verborgenen bleibt, scheinbar nichts mehr gibt, was nicht öffentlich werden könnte, in der der einzelne und die einzelne in ihrem Tun und Lassen beobachtet, analysiert und ausgewertet werden, wie niemals zuvor, wo letztlich gar „Geheimnisverrat“ zur Tugend wird,  in dieser Welt von „Geheimnis“ zu reden, scheint anachronistisch, scheint aus der Zeit gefallen zu sein.




Unsere Liebe zum Weihnachtsfest aber mag vielleicht gerade daher rühren, dass wir uns einen letzten Respekt vor dem Geheimnis doch noch bewahrt haben, wohl ahnend, dass das Geheimnis des Lebens uns davor in Schutz nimmt, jeglichen Respekt zu verlieren, jede Achtung, jede Demut und Begrenzung.

Nur wer kein Gefühl mehr hat für das Geheimnis des Lebens, das uns in einem kleinen Kind begegnet, das Geheimnis seines Gewordenseins und seines Werdens, nur wer die Achtung vor diesem Geheimnis verloren hat, kann seine Kinder verwahrlosen, verhungern und verdursten lassen.

Nur wer keine Achtung mehr hat vor dem Geheimnis des Lebens, das uns in einem anderen Menschen begegnet, das Geheimnis des Seins, des Hoffens und Liebens, des Ängstens und Fürchtens, nur wer die Achtung vor dem Geheimnis des Lebens verloren hat, kann Menschen foltern, Frauen vergewaltigen, Kinder versklaven.

Wie arm, wie grausam sind wir Menschen, so wir das Geheimnis nicht mehr achten.

III.
Das Geheimnis. Unser Predigttext zu dieser Christmette gewährt uns einen Blick durchs Schlüsselloch auf das Geheimnis des Glaubens, das wir zu Weihnachten begehen.

Und schon in der Sprache, die er wählt, ist er bestrebt, das Geheimnis zu wahren, es zu offenbaren, ohne es zu lüften, ohne es zu erklären, es unserem Verstehen preiszugeben. Poetische, bilderreiche Sprache wählt der Apostel Paulus, damit wir etwas erahnen können, nicht aber erklären.

„Groß ist“, schreibt er an Timotheus, „groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Völkern,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in Herrlichkeit.“

Ein geheimnisvolles Wort, ein Satz, der durch die Höhen und Tiefen der Welt geht, der hin und her singt zwischen unten und oben, diesseits und jenseits, der Erde und Himmel miteinander ins Spiel bringt: Fleisch und Geist, Engel und Völker, Welt und Herrlichkeit…

Das wohl ist das Geheimnis des Glaubens, offenbar geworden in Jesus Christus und doch keinem Menschen zu erklären: Dass Gott und Mensch, Himmel und Erde, oben und unten miteinander in Beziehung gekommen sind, miteinander ins Spiel gekommen sind.

Dass es also fortan keinen Bereich des Lebens gibt, der nicht auf geheimnisvolle Weise auch der Bereich Gottes ist – Er ist offenbart im Fleisch.

Dass es fortan kein Menschenleben auf der Welt gibt, dem die Zuwendung Gottes nicht gilt: Er ist gepredigt den Völkern.

Und keinen Winkel dieses Kosmos, der nicht erfüllt ist vom Geheimnis Gottes: Er ist geglaubt in der Welt.

Und schließlich: dass auch dem finstersten Tal dieser Welt eine helle Zukunft verheißen ist: Er ist aufgenommen in Herrlichkeit.


IV.
Wie geht das zu?

Der Apostel wahrt das Geheimnis. Er ist offenbart… durch wen? Wie ist das geschehen? Er  - man müsste eigentlich im Deutschen unmöglich übersetzen: „wurde erschienen“. Er ist gepredigt, er ist geglaubt, er ist aufgenommen.

Da bleibt verborgen, wie das geschehen ist. Es fehlt das Subjekt. Der, von dem hier die Rede ist, erscheint nur im Passiv. Es geschieht etwas mit ihm.

Gott als einer, der sich in die Passivität begibt, der etwas mit sich geschehen lässt. Am deutlichsten wohl darin, dass er Kind wird, geboren von einer Frau:

weihnacht – so umschreibt Kurt Marti in einem Gedicht das Geheimnis – 
weihnacht damalsals gottim schrei der geburtdie gottesbilder zerschlugundzwischen marias schenkelnrunzelig rotdas kind lag.

Das gehört zum unergründlichen Geheimnis des Glaubens, dass Gott sich in die Abhängigkeit begibt, in die Passivität, mit sich geschehen lässt.

Wie oft – zumal in diesen friedlosen Tagen - hätten wir ihn doch gerne anders… Er aber wird Kind, wird Fleisch und Blut von der Geburt bis zum Tod.

Lässt mit sich geschehen, was Menschen geschieht: Vertreibung, Anfeindung, Verrat, Verleugnung, Folter, Verurteilung und Tod.

V.
Geheimnis des Glaubens.

Wer es glaubt, beginnt zu ahnen, dass Gott nicht fern und jenseitig ist, abstrakt in Himmeln und Höhen, sondern unter uns, nahe den Menschen mit ihren Nöten und Sorgen und Ängsten und Klagen und Freuden und Hoffnungen und Lieben und Glauben.

Beginnt zu ahnen, dass der Leib sterblicher Menschen zum Ort wird, an dem ich auf geheimnisvolle Weise die Lebenskraft Gottes erfahren kann.

Dass die Welt aus Völkern und Rassen und Religionen das Geheimnis der Unergründbarkeit Gottes spiegelt.

Dass dieser Kosmos zusammengeordnet ist in geheimnisvoller Ordnung, die wir zu beschreiben mehr und mehr in der Lage sind, nicht aber zu ergründen.

Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens.

Vielleicht, dass wir in diesen Tagen zurückkehren können zur Achtung und Ehrfurcht vor dem Geheimnis.

Dass wir einander interessant werden durch die Ahnung, des Unergründlichen. Und Lust und Neugier wecken, etwas zu erfahren von jenem Geheimnis, dass uns in diesen Tagen umgibt und allezeit bis in Ewigkeit. Groß ist das Geheimnis des Glaubens.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wir stehen im Morgen - Liedpredigt

„…s’ist leider Krieg – und ich begehre, nicht schuld daran zu sein!“

Wir sind alle Gottes Kinder!