Es ist alles in der Zeit
Predigt zu 2. Petrus
3,8-13 am Ewigkeitssonntag 2014
Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass "ein" Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen,die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden.Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Liebe Gemeinde, „Es ist nichts in der
Zeit!“, sagt der Volksmund.
„Es ist alles in der Zeit!“, sagt der
Glaube.
Denn „ein Tag ist vor dem Herrn wie
tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.“
Wer das begreift, liebe Gemeinde,
dass nichts und doch alles in der Zeit ist, der wird lernen in der Zeit zu
leben, als wäre sie nichts und doch alles. Wird leben - frei von der Zeit und
darum frei für die Zeit.
Heilig und fromm und gerecht. Ums
Leben geht’s, nicht ums Jenseits.
Aber nicht so schnell. Geduld,
Geduld.
Denn die Ungeduld verliert die Zeit.
So wie es damals wohl einige gab, für die es keinen Sinn mehr machte, auf das
Ende zu warten.
Zu warten auf den neuen Himmel und
die neue Erde, zu warten auf das Kommen Gottes und das Ende der Zeit. Es ist
vergebens. Also lasst uns Saufen. Denn nichts ist von Bedeutung, wenn es kein
Morgen gibt, keinen Tag, der noch kommen wird, keine Zukunft und keine
Hoffnung.
Fühlt es sich so an, wenn ich
begreife, was ich verloren habe, zum Beispiel im Tod eines Menschen, den ich
geliebt habe? So leer? So sinnlos? Was soll es
noch?
Die Zeit heilt Wunden. Nur hin und
wieder noch ist er da, der Schmerz und ich spüre die Narbe vergangener Zeit.
Mit ihr heißt es leben bis zum Ende meiner Zeit.
Es ist eben nicht alles beim „Alten
geblieben“.
Aber wie kommt „Neues“ in die Zeit?
Dem Schreiber des zweiten
Petrusbriefes brennt die Frage unter den Nägeln.
Denn das Krachen und Blitzen und die
apokalyptischen Feuerbälle bleiben aus. Das Ende der Zeit lässt auf sich
warten. Die Verheißungen Gottes stehen aus. Kann man da noch glauben?
Kann man noch glauben, wo die
Verheißungen Gottes ausbleiben? Glauben in einer Welt, wo Schwerter Schwerter
sind und Pflugscharen Pflugscharen. Wo der Wolf das Schaf frisst und der Löwe
das Lamm reisst, wo die Schlange das spielende Kind vergiftet und Krieg noch ist und
Leid und Geschrei und Schmerz und Tod. Ja Tod.
Kann man da noch glauben?
Sie müssen es zynisch kommentiert
haben, jene Verächter der Hoffnung und des Glaubens. Zynisch wie es ja häufig
der Fall ist: Dass enttäuschte Liebe im Zynismus endet.
Spötter, die die vordergründige
Erfahrung auf ihrer Seite haben: Nachdem „die Väter entschlafen sind, bleibt es
alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist.“ (3,4) Lasst alle Hoffnung
fahren…
Wie also angefochten glauben, dem
Zynismus zum Trotz?
Der Schreiber des zweiten
Petrusbriefes muss umdenken lernen – und es gelingt ihm noch nicht ganz. Aber
dem Samenkorn gleich, das in die Erde gelegt wird, kann ein neues Denken daraus
wachsen, in dessen Schatten wir - vielleicht - glauben können in dieser Zeit.
Die alten Bilder hat er im Kopf: Von
Krachen und Blitzen und Getöse und Zerstörung und Feuer und Gericht. Aber er
beginnt, sie neu sortieren. Zuzuordnen zu einer Zeit, die bleibt.
Und ihn weiterdenkend beginne ich zu
begreifen:
Es geht nicht um das Ende der Zeit, sondern um diese Zeit in Ewigkeit.
Es geht nicht darum, dass die Zeit
aufhören wird, sondern dass wir begreifen, dass jeder Augenblick, jeder Moment
eines Wimperschlages, bezogen ist auf Gottes Ewigkeit. Es geht nicht um das
Vergehen dieser Welt, sondern um das Kommen der Neuen Welt Gottes. Und es geht
auch nicht um unser Jenseits, sondern um unser Leben hier und jetzt, in dieser
Welt und der Zeit, die uns bleibt.
Das kann ich glauben.
Ob ich‘s erklären kann?
Ich will’s versuchen:
Es geht nicht darum, dass die Zeit
aufhören wird, sondern dass wir begreifen, dass jeder Augenblick, jeder Moment
eines Wimperschlages, bezogen ist auf Gottes Ewigkeit.
Denn "ein" Tag vor dem
Herrn ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.
In Gottes Zeitmaß geht es nicht um
das bloße Fortschreiten der Zeit, wie wir es kennen, wie wir es messen mit
Uhren und Kalendern. Sondern um eine ganz andere Qualität der Zeit. Eine, in der
dieser Moment um tausend andere weiß, dieser Augenblick alle Zeit in sich
aufnimmt, in dieser Zeit ihre Vergangenheit und ihre Zukunft anwesend sind.
„Kairos“ nennt die Bibel das, im
Unterschied zu „Chronos“.
Chronos ist die fortschreitende, die
fliehende Zeit, die Zeit, in der wir unsere Geschichtsbücher schreiben und
unsere Lebensläufe listen: Geboren am..., Schule von bis…, Ausbildung…,
Heirat.., Beruf… und am Ende steht der Tod.
Wer aber vom Zeitmaß Gottes her
denkt, begreift diesen Augenblick als den Moment zwischen einem Woher und einem
Wohin, und das Woher ist was anderes als ein grundloser Anfang und das Wohin
etwas Hoffnungsvolleres als ein endgültiger Tod. Unser Leben gelebt im
Dazwischen, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
In diesem Moment ist mein Woher
gegenwärtig und mein Wohin. Und der Tod ist nicht das Ende… Denn meine Zeit ist
aufgehoben in Gottes Ewigkeit. Gottes Zeitmaß kennt kein Ende.
Daran verliert der Tod seine Macht.
Auch in dieser Zeit leben wir mit denen, die Gestorben sind und jenen, die noch
geboren werden.
Wir ahnen es, wo es uns gelingt, zu
erinnern und zu gedenken – da fühlen wir uns den Lieben ja ganz nahe, die
gestorben sind. Anders, verwandelt. Und doch nah.
Und wir begreifen es, wenn wir das
Würmchen Leben auf dem Arm halten und seinen Drang spüren, die Welt zu erobern, die
vor ihm liegt nach unserem Maß, und dabei habe ich sie doch schon auf dem Arm,
die Welt, die kommt, ist da.
„Alles hat Gott schön gemacht zu
seiner Zeit. Auch hat er die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt; nur dass der
Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende…“
(Prediger 3,10)
Diese Ahnung der Ewigkeit, von der
der Prediger Salomo sprach, macht diese Zeit unendlich reich und kostbar. Denn
in ihr ist alles, sagt der Glaube.
Ewigkeit als das, was unsere Zeit neu
macht. Was aber ist das Neue?
Der Schreiber schreibt von einem
neuen Himmel und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Und er könnte damit die Perspektive
ändern. Denn im Licht der Ewigkeit geht es nicht mehr um das Vergehen dieser
Welt, sondern um das Kommen der neuen Welt Gottes.
Es mag sein, dass dies irgendwann an
einem jüngsten Tage geschieht, an dem die Welten zerbrechen und Zeiten
vergehen. Wie wir ja auch den Tod erfahren, an dem meine kleine Welt zu Grunde
geht.
Aber ein Ende ist das nicht.
In der Ahnung, dass wir in Gottes
Zeit leben, unser Leben hier ein Dazwischen ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, gibt
es kein Ende.
Sondern wenn, dann nur einen neuen
Anfang: Gottes neue Welt, einen neuen Himmel, eine neue Erde in denen
Gerechtigkeit wohnt.
Wir haben die Bilder der
Propheten vor Augen und im Herzen. Und damit in der Welt und in der Zeit. Wir
warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und in dieser Erwartung hat
die neue Zeit ihren Anfang mitten unter uns. In diesem Glauben hat die Ewigkeit
einen Fuß in der Tür zum Hier und Jetzt.
Der Schreiber des 2. Petrusbriefes
spürt, dass diese Hoffnung etwas mit uns und unserem Leben zu tun hat: "Wie
müsst ihr dann dastehen?", fragt er.
Und legt uns damit die Zeit, in der
wir leben, ans Herz.
Legt sie uns ans Herz als die Zeit,
in der Gottes neue Welt einen Anfang macht im Glauben, in der Hoffnung, in der
Liebe.
Die Liebe aber ist die größte unter
ihnen. Und sie bleibt. Sie kennt kein Ende. Auch im Tod nicht.
Amen.
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