Der Mensch ist des Menschen Wolf - Der Mensch ist dem Menschen ein Gott

Predigt zu 1. Mose 1,24-31

Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.
 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
Liebe Gemeinde,

Thomas Hobbes war ein ängstlicher Mensch. Seine Angst war geschaffen aus Krieg: Als er im April 1588 im britischen Westport geboren wurde, erlitt die Armada des katholischen Spaniens vor den Küsten des protestantischen Englands eine vernichtende Niederlage.

Während eines Drittels seines Lebens wütete auf dem Kontinent mit dem Dreißigjährigen Krieg einer der verheerendsten Kriege Europas.

Und erst rund 10 Jahre nach seinem Tod beendete die „Glorious Revolution“ 1688/89 die konfessionellen Kriege auf der britischen Insel.

Dass der „Mensch des Menschen Wolf“ sei, war die Erkenntnis aus diesen Kriegen und wurde zum geflügelten Wort.

Zu einem geflügelten Wort, das einem, der es kennt, in diesen Tagen, da der ganze Nahe Osten in Bürgerkriegen und Terror sich selbst zerfleischt und am Rande Europas ein Bürgerkrieg gekämpft wird,... - zu einem geflügelten Wort, das einem einfallen muss, wenn man denn nicht völlig ohne Realitä sbezug über den Menschen predigen will. Der Mensch als des Menschen Wolf.

Für Hobbes, der damit im Übrigen – makaber genug - nur einen antiken Komödiendichter zitiert: ist der Satz aber nur die halbe Wahrheit. Die andere ist die: „Der Mensch ist ein Gott für den Menschen.“

Und in beidem, so will mir scheinen, zeigt Hobbes das Spektrum der Menschheit auf, die Gott geschaffen und beauftragt hat. Das, was aus ihm werden kann, dem Menschen:

Der Mensch als des Menschen ärgster Feind.
Der Mensch als des Menschen größte Wohltat.

„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret Euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet…“

Ein Satz, der beides zulässt.

II.
Zulässt, dass der Mensch zum Wolf des Menschen wird.

Da wird doch, so eine gängige Interpretation, dem Menschen die ganze Welt untertan gemacht und die Herrschaft über alles übertragen. Als letztes Wesen, das geschaffen wird, und „Krone der Schöpfung“ wird der Mensch als quasi absoluter Herrscher eingesetzt am sechsten Tag. Durch nichts und niemanden mehr gehalten und gebunden.

Der Mensch als Besitzer von allem und jedem. Alles ist dem Menschen gegeben. Und er ist bestrebt, auch alles zu nutzen und zu gebrauchen und zu nehmen, was ihm gefällt.

Vom „Recht eines jeden auf alles“ hatte Hobbes gesprochen.
Ein Recht, das dazu verleitet, alles für die die eigene Glückseligkeit und die eigene Macht einzusetzen.

Und weil die Befriedigung eines Glückes in diesem Moment ahnen lässt, dass ich es im nächsten Moment wieder befriedigen will, sinne ich darauf, mir zu sichern, was ich meine, nötig zu haben.

Uns befriedigt nicht mehr nur der Genuss des gegenwärtigen Glücks, sondern ich will diesen Genuss auch für die Zukunft sichern. „Der Mensch wird durch den zukünftigen Hunger hungrig“ hatte Hobbes gesagt.

Liebe Gemeinde, ich will nicht verhehlen, dass es mir so vorkommt, als würde dieses „Recht eines jeden auf alles“ in unserer Zeit wieder zügelloser und ungehemmter gelebt. Gewiss in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen, aber doch der gleichen Haltung folgend: Ich habe ein Recht auf alles - im Individuellen und Privaten wie im Allgemeinen und Öffentlichen. Und dort, im Raum des Öffentliche, des Politischen, wird es schrecklich.

Ob Russland nun die Krim annektiert oder die NSA sich das Recht auf die persönlichen Daten ihrer Verbündeten nehmen, das ist zwar in der Sache sehr verschieden und doch von der selben Haltung getragen, nämlich von der Haltung: Ich habe ein Recht auf alles.

Die palästinensische Hamas reklamiert für sich das Recht auf einen Befreiungskampf und Israel sein Recht auf die Verteidigung von Land und Bürgern.

Und dann gibt es noch jene, die ihr Recht auf alles in Gottes Namen reklamieren: Und wer nicht folgt, wird vertrieben oder umgebracht, gekidnappt und zwangskonvertiert.

„Das Recht aller auf alles“, so hatte Hobbes erkannt, führt zum „Kampf aller gegen alle“.

Sollte das gemeint sein, in der so wunderbaren Erzählung der Schöpfung, dass der Mensch zu des Menschen Wolf wird?

Oder ist es nicht seine Bestimmung, über die Tiere zu herrschen und also auch den Wolf in sich zu zähmen?

III.
Darum wagen wir einen neuen Versuch:

Der Mensch ist dem Menschen ein Gott.

Ein Satz, den wir zu füllen und zu verstehen haben aus jener Erzählung der Schöpfung am sechsten Tag:

„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei…Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde…“, das ist die zentrale Bestimmung des Menschen, die wir zu verstehen, und nach der wir zu leben haben: Der Mensch als Gottes Ebenbild.

Darüber ist in der Kirchen- und Theologiegeschichte natürlich viel nachgedacht und aufgeschrieben worden. Was heißt das für das Wesen des Menschen? Worin besteht diese „Ebenbildlichkeit“?

In der Fähigkeit des Menschen, sich seiner Vernunft zu bedienen, sagen die einen – das unterscheide immerhin den Menschen von den Tieren. Andere meinen, in des Menschen Gestalt die Gottebenbildlichkeit suchen zu  müssen. Wieder andere diskutieren, ob diese Gottebenbildlichkeit eine Wesensbestimmung des Menschen ist oder etwas, das er erst erwerben muss.

Ich lass die Fragen ruhen und mag heute Morgen mit Ihnen einfach nur den Text lesen:

Der erzählt vom Entschluss Gottes, „Menschen zu schaffen, ein Bild, das uns gleich sei…“ übersetzt Luther, ich finde ganz treffend. Das eine Wort, das  hier hebräisch steht, meint ein plastisches Bild, eine Skulptur, eine Statue oder etwas Ähnliches. Und das andere meint das, was dem Original ähnlich ist.

Also Gott trifft die Entscheidung, etwas zu schaffen, das Ähnlichkeit mit ihm hat, und das Gestalt gewinnt in dieser seiner Schöpfung: der Mensch.

Das ist die Bestimmung des Menschen, Gott in der Welt Gestalt zu verleihen. Zu sein und zu leben, was Gott entspricht.

IV.
Was ist das, was Gott entspricht?

Wir können mit den jüdischen Kabbalisten spekulieren und es ist mir durchaus sympathisch:

„Warum schuf Gott die Welt?“, fragen die Rabbinen. „Aus Liebe“, sagen sie. Weil die Liebe das Gegenüber sucht. Die Liebe will nicht allein bleiben: „Lasset uns Menschen schaffen…“

Wenn Liebe aber der Quell des Schaffens und Machens Gottes ist, dann gilt auch für uns: Aus Liebe handeln, machen und schaffen.

In der Liebe entspricht der Mensch Gott und ist ihm ähnlich, in der Liebe darum wird der Mensch dem Menschen zum Gott.

Haben wir Christen von Christus was anderes gelernt?

„Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe“ (Johannes 15,12)

„Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“, summiert der 1. Johannesbrief.

Die Liebe ist die schöpferische Kraft, die eine Welt erschuf.
Und das Gegenüber, das Miteinander ist ihr Ziel.

Und in der Liebe sind wir Ebenbild Gottes, gewinnt er Gestalt in dieser Welt.

Darum also: "Lasst uns lieben…!"

V.
Mit der Liebe konnte Hobbes freilich nicht so viel nicht anfangen.
Und doch suchte er nach den Möglichkeiten einer Welt, die dem Kampf aller gegen alle ein Ende bereitet.

Er fand Sie in den Gesetzen der Natur, deren oberstes lautet: „Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, solange dazu die Hoffnung besteht…“ und es setzt das zweite voraus: „Jedermann soll freiwillig, wenn andere auch dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens willen …für notwendig hält. Er soll sich mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde.“

Von dort ist der Weg nicht weit zu den Worten des Bergpredigers: „Alles, was ihr wollt, das Euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch…“, gesprochen, damit wir vollkommen werden wie unser Vater im Himmel vollkommen ist.

In diesem Sinne, ihr Lieben, die wir einander Wölfe oder Götter sein können, lasst uns Gott ähnlich sein, füreinander und miteinander, auf dass Frieden werde unter uns.


Kommentare

  1. Das war gestern in Ihrer Predigt einfach großartig! So tut Kirche noch wohler, so hören wir die Verbindung zwischen der grausamen Aktualität dieser Welt und der Güte des Wortes. Es ist Ihnen eindrucksvoll gelungen, Ihre Zuhörer mitzunehmen, nachdenklich zu machen, dem Unverständnis der Gewalt das Wort Gottes interpretierend entgegenzusetzen – das war großartig. Mein Dank an Sie und mein Kompliment. Ihre Predigt hat mir gut getan, sie hat mir geholfen, meinen stillen Zorn und mein Unverständnis oder meine Vorurteile zu zügeln. Wäre doch Kirche immer so.
    Meinen tief empfundenen Dank. PK

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