Fröhlich soll mein Herze springen


Lied- Predigt zu EG 36: Fröhlich soll mein Herze springen


[Storophe 1+2]


„Fröhlich soll mein Herze springen“, liebe Gemeinde, ist eines der Lieder des Gesangbuches, die uns in ihrer ursprünglichen Melodie überliefert sind.

Johann Crüger hat sie verfasst – Kantor an Sankt Nikolai in Berlin, wo Paul Gerhardt, der den Text verfasste, als Pfarrer wirkte.


Pfarrer und Kantor, das soll schon einmal vorkommen, waren ein gutes Team und eine sehr produktive Arbeitsgemeinschaft.


Crüger verstand, was Gerhardt dichtete, und schuf dazu die passenden Melodien: So auch bei „Fröhlich soll mein Herze springen“ – Lassen Sie uns die Melodie doch noch einmal hören


[Die Orgel spielt die Melodie.]


Springt Sie das nicht an? Mich schon.


Ich war mal ganz gut im Hochsprung und erinnere mich gut an die letzten drei langgezogenen Schritte vor dem Absprung: „Fröh-lich-soll mein Herze springen“.


Crüger zeichnet in seiner Melodie die Bewegung des Springens nach: drei lange Töne zunächst, quasi als Anlauf, dann die drei schnellen und wieder zwei lange – ich habe das Gefühl des Absprungs. „Fröhlich soll mein Herze springen…“


Und wenn der Absprung gelingt, dann kann ich am Ende schweben: „..mit dir will ich endlich schweben / voller Freud ohne Zeit / dort im andern Leben“ heißt es in der letzten Strophe im Gesangbuch.


Wieder einmal dichtet Paul Gerhardt ein Lied, dass den großen Sprung wagt: Den Sprung heraus aus der Erdenschwere, die uns oft bleiern auf der Schulter liegt, heraus aus dem Jammer und dem Elend…


Davon hatte der Dichter, der 1607 geboren wurde und also aufwuchs in den Grauen des 30jährigen Krieges,

davon hatte der Vater, dem die Kinder starben,
davon hatte der Pfarrer, der sich mit staatlichen Repressionen auseinanderzusetzen hatte…
– von Jammer, Elend und Erdenschwere - da hatte er gewiss genug auf den Schultern.

Und wagt doch immer wieder im Glauben den Sprung heraus.


Das ist wohl bis heute die besondere Kraft seiner Lieder, dass wir in aller Erdenschwere mit ihnen leben und sterben können.


II.

„Fröhlich“, also „soll mein Herze springen.“

Die Aufforderung bleibt nicht grundlos.


Paul Gerhardt macht sie fest an der biblischen Botschaft der Weihnachtsgeschichte, lässt wie dort so in seinem Lied die Engel die Botschaft überbringen: Christus ist geboren.


Ach, die armen Engel, müssen heute so viel Kitsch über sich ergehen lassen.


Und sind dabei doch höchst ernst zu nehmen als Boten Gottes. Höchst ernst zu nehmen als die Erfahrung, die ja doch Erfahrung unseres Lebens ist: Aus dem Jammer kann ich mich kaum selbst befreien.

Intrinsische Motivation – also mich von innen heraus, aus mir selbst heraus zu motivieren, fröhlich zu sein… Es soll Menschen geben, die es trainiert haben – und doch spüren wir ihnen die Fassade ab, sehen, dass ihrem Springen die Leichtigkeit fehlt.


Das Heil, ihr Lieben, kommt nicht aus uns selbst.


Es kommt immer her von Gott, kommt immer her von außen, liegt nicht in uns, sondern jenseits unseres eigenen Ichs.


Damit ich trotz Jammer, Not und Leid ins Springen komme, braucht es die Botschaft von außen: Christus ist geboren.


Das freilich liegt zu Weihnachten in der Luft – „alle Luft, laute ruft…“


III.

Aber habe ich es damit schon verstanden?

Paul Gerhardt hilft nach:


„Heute geht aus seiner Kammer, Gottes Held, der die Welt, reißt aus allem Jammer“ – Paul Gerhardt liebte die drastischen Ausdrücke für das Heil: Es ist eben nicht ein warmes Gefühl hinterm Brustbein, sondern eine ernste Auseinandersetzung, ein Kampf - von mir aus: um Leben und Tod – aber wir werden herausgerissen.


Übrigens auch eine alte Symbolik der Taufe.


Das Wasser steht für alle Lebensbedrohung, in die der Täufling eingetaucht wird, aber er wird herausgerissen, gerettet und bewahrt.


„Gott wird Mensch, dir Mensch zugute“ – Damit ist eigentlich alles gesagt, was an Weihnachten gesagt werden muss.


Wenn Sie aus diesem Lied nicht mehr mitnehmen, als diesen Satz, dann haben sie dennoch alles mitgenommen: Gott wird Mensch, in dem Kind in der Krippe ist Gott zu finden, nicht in den religiösen Projektionen und Klischees unseres Empfindens, sondern dort, in dem Kind von Bethlehem kommt Gott zu Welt – damit es gut wird für und mit uns.


Was nun folgt in Gerhardts Lied ist nur noch die Anwendung dessen, was in den beiden ersten Strophen gesagt ist. Was heißt das, was folgt daraus, was bedeutet das für unser Leben, wie geht das zu…?


Darum geht es in den folgenden Strophen, das Wichtigste aber ist gesagt: „Gott wird Mensch, dir Mensch zugute.“


Singen wir die Strophen 3 bis 5!


IV.

Paul Gerhardt spricht in diesen drei Strophen, was Gott tut, in dem er in Jesus Mensch wird: Gott gibt – dies vor allem.

Er gibt, was er am meisten liebt, er gibt seinen Sohn.


Er »gibt sich dran«. Er gibt - Er gibt - Er gibt. Um »unserm Leid zu wehren«, tritt Er an unsere Stelle, »nimmt auf sich, was auf Erden wir getan«, und wird »unser Lamm«.


Wir begegnen klassischer altprotestantischer Rechtfertigungslehre. Gott gibt seinen Sohn, der auf sich nimmt, was wir getan – Darum kann uns Gott nicht mehr hassen.


O wei, jetzt müsste ich eigentlich ganz viel erklären und habe dazu im Nacken eine große Debatte um den Sühnetod Jesu, die in den vergangenen Jahren vor allem in der rheinischen Kirche lebhaft geführt wurde.


Vielleicht reicht es für heute Morgen, mit Paul Gerhardt zu entdecken, dass das Heilshandeln Gottes sich auch in der klassischen Rechtfertigung nicht auf den Kreuzestod Jesu begrenzt, sondern mit der Selbstentäußerung Gottes beginnt.


Gott gibt sich selbst in die Hände der Menschen.


Er gibt seine Gottheit dran.

Wer den Kreuzestod Jesu von dem Heilsakt der Inkarnation, der Menschwerdung ablöst, begeht schon den ersten Fehler.


Nur ohne ein Nachdenken darüber, dass sich Gott selbst in Christus gibt, kann ich den Fehler begehen, zu denken, dass Jesus Gott geopfert wurde, um Sühne zu leisten für unsere Sünden.


Nein, Gott selbst opfert sich, und zwar schon in der Entäußerung seiner Gottheit, in der Menschwerdung Jesu.


V.

Ich belasse es dabei für heute Morgen und möchte gerne noch auf die Worte zu sprechen kommen, die wir in der fünften Strophe aus der Krippe hören: „Lasset fahrn, o liebe Brüder, was euch quält, was euch fehlt, ich bring alles wieder…“

Das um Gottes willen Loslassen-können, Geschehen-lassen-können, Verlieren-können, das leben mit den Verlusten, mit Begrenzungen…


Dietrich Bonhoeffer hat diese Zeile in einem Brief so erklärt: »Es geht nichts verloren, in Christus ist alles aufgehoben, aufbewahrt, allerdings in verwandelter Gestalt, durchsichtig, klar, befreit von der Qual des selbstsüchtigen Begehrens.


Christus bringt alles wieder, und zwar so, wie es von Gott ursprünglich gemeint war, ohne die Entstellung durch unsere Sünde ...«


Wir brauchen seinem Ruf nur zu folgen. Bei dem Kind in der Krippe können wir alles loslassen, was uns quält. Hier dürfen wir einfach Mensch sein, so wie Gott uns gemeint hat.


Das Lied spricht jetzt die Gemeinde an und lädt nun alle ein, zur Krippe zu kommen. Singen wir die Strophen 6 bis 9! „Ei so kommt und lasst uns laufen….“


VI.

In diesem Teil des Liedes hören wir lauter seelsorgliche Einladungen: Liebt - schaut - fasst - sei getrost! Im Kind in der Krippe sehen wir den, »der vor Liebe brennet«. Er ist »die Tür / zu den wahren Freuden« und führt uns dorthin, wo uns »kein Kreuz wird rühren«.

Der Seelsorger Paul Gerhardt weiß, wie haltlos sich Menschen im Leid fühlen. Deswegen spricht er diejenigen an, die in großem Leiden „schweben“, die also keinen festen Boden mehr unter den Füßen haben.


Das ist ja ein anderes „Schweben“ als das, von dem in der letzten Strophe gesungen wird.


Denen, denen der Boden unter den Füßen entzogen ist, denen, die nur noch Leid um sich erleben, denen wird die Tür zu einem neuen Lebensraum gezeigt: „Sehet hier, ist die Tür, zu der wahren Freude.“


Christus eröffnet neuen Lebensraum.


Christus handelt auch wie ein heilender Arzt an denen, denen das Herz schwer ist – ein schweres Herz kann nicht fröhlich springen. Er heilt von Sünde und Gewissensschmerzen. Bei ihm können alle sich des »Glaubens Hände« mit guten Gaben füllen. Ob jemand leidet, sich im Herzen beschwert fühlt oder arm und elend ist: das Lied lädt dazu an, zu Christus zu kommen, dem wahren Befreier, Arzt und Heiland.


Christus begegnet uns als Befreier, Arzt und Heiland, als der, der zu sich ruft, die »mühselig und beladen sind.« (Mt 11,28)…


…und uns, die wir arm sind und elende einlädt, sich bei ihm die Hände des Glaubens füllen zu lassen.


„Ich steh vor dir mit leeren Händen Herr“, aber füll du mir die Hände.


Damit hat uns das Lied ganz dicht heran geführt an das Heil, das vor uns liegt und nur noch ergriffen, umfangen sein will. Ein Heil, das uns, davon singen die letzten Strophen, ein Heil, das uns fröhlich leben lässt und wenn es Zeit ist, fröhlich sterben lässt: „Ich will dich mit Fleiß bewahren, / ich will dir leben hier / dir will ich hinfahren; / mit dir will ich endlich schweben / voller Freud, ohne Zeit/ dort im andern Leben.


Wir singen zum Schluss die letzten drei Strophen.


[Am Anfang der Predigtvorbereitung stand die Lektüre der Predigt zum Lied von Michael Heymel in: Muntanjohl, Felizitas; Heymel, Michael: Auf, auf mein Herz, mit Freuden, Gütersloh 2006, 83-88.]

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wir stehen im Morgen - Liedpredigt

„…s’ist leider Krieg – und ich begehre, nicht schuld daran zu sein!“

Wir sind alle Gottes Kinder!