Predigt zu Apostelgeschichte 2,1-13 anlässlich der Einführung der neuen Liturgie

…jetzt bloß keine lange Predigt mehr!

Ich meine es lesen zu können in den Gesichtern, die mich anblicken.
Und ich will ihnen Rechnung tragen: Bloß keine lange Predigt mehr, ein paar Anmerkungen vielleicht, das kommt denen entgegen, die schon seit 18 Uhr im Workshop mit dabei waren.

Und damit sind wir bereits schon mittendrin bei dem, was uns als Gemeinde auszeichnet: Nah am Menschen wollen wir sein, auf ihre Bedürfnisse achten und ihnen entgegenkommen.

Und da sind wir heute noch einmal einen großen Schritt weitergekommen: Eine neue Liturgie.

Eine Liturgie, die frisch und unverbraucht ist, ohne den fahlen Beigeschmack, auf zig Kirchentagen bereits müde gesungen worden zu sein.

Eine Liturgie, die aus einer Feder stammt, nicht ein Sammelsurium des Gefälligen aus dem Gesangbuch.

Eine Liturgie, und das passt ja zu uns: Die den Anspruch des Originellen hat. Es dürfte im Rheinland nicht so häufig vorgekommen sein bisher, dass eine Gemeinde sich in dieser Weise auf den Weg begeben hat. Wir sind wieder einmal die ersten und Spitze.

Und vor allem: Eine Liturgie, die den Zeitgenossen entgegenkommt, denen, denen die traditionellen Melodien fremd und die Texte – zum Teil jedenfalls - unverständlich sind.

Ja, so sind wir: Nah am Menschen, bemüht am Puls der Zeit zu sein und ein klein wenig – soweit man das als Protestant sein darf – ein klein wenig stolz auf uns.

Und natürlich ist es kein Zufall, dass wir das Pfingstfest ausgewählt haben, um diese neue Liturgie öffentlich zu machen, vorzustellen und erstmals zu feiern.

Denn wenigstens unter uns Kirchenmenschen ist noch eine Ahnung da, dass Pfingsten etwas mit Aufbruch zu tun hat, der Geist Gottes aus der Enge der Resignation hinausführt ins Freie.

II.
Allein, ihr Lieben, ehe wir uns an uns selbst berauschen, lasst mich ein wenig Wasser in den Wein gießen, der uns trunken macht.

Denn was wir feiern, liebe Gemeinde, die Pfingstgeschichte entlarvt es als ein Armutszeugnis. Denn sie legt den Finger in die Wunde, auf die die neue Liturgie das Pflaster ist. Die Wunde des Einander-Nicht-Verstehens in Kirche und Gesellschaft.

Die Pfingstgeschichte erzählt ein Wunder: Das Wunder des Verstehens: Die Jünger reden in fremden Sprachen und ein jeder hört sie in der eigenen.

Ein Wunder, das den Schaden heilt, der aus der menschlichen Hybris des Turmbaus zu Babel erwuchs, als Gott herniederfuhr, den Turm zerstörte und die Sprache der Menschen verwirrte.

Eine archaische Geschichte, die vom Fluch des Nicht-Verstehen-Könnens erzählt.

Nun aber hört sie ein jeder in seiner Muttersprache reden.

Wir aber leben in einer Zeit und einer Kirche, in der das Unverständnis zum Wesensmerkmal geworden ist:

Eben, es finden sich nicht alle ein in die Sprache des traditionellen Gottesdienstes. Und wir wissen, dass es solche geben wird, denen unsere neue Liturgie nichts sagen wird, sie nicht berühren wird, mehr vielleicht noch, die - wenn sie wüssten, dass wir an diesem Sonntag mit ihr feiern – doch lieber zu Hause blieben. Andere werden gerade deswegen kommen. Weil sie begeistert sind vom Neuem.

Wir wissen darum, dass wir keine Sprache finden, die jeder versteht.

Und darum machen wir Musikgottesdienste für die Etablierten, Nachtfalter für die Experimentalisten, Osternächte für moderne Performer, Eventgottesdienste für die jugendlichen Hedonisten, Familiengottesdienst für die bürgerliche Mitte und normale Gottesdienste für Konservative.

Längst tragen wir der Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft auch im Leben unserer Gemeinde und im Feiern ihrer Gottesdienste Rechnung; tragen dem großen Unverständnis Rechnung, das zwischen den Milieus und ihren religiösen Orientierungen gegeben ist.

Und wir finden es gut, stehen dazu, sehen darin das Besondere unserer Gemeinde und müssen doch zugeben: Würde der Geist Gottes wehen wie in der Pfingstgeschichte, es wäre wohl anders. Wir würden in einer uns selber fremden Sprache reden und doch einander in der Muttersprache hören.

Aber so ist es ja nicht: wir sind arm am Heiligen Geist und als solch geistlich Arme, dennoch selig.

III.
Arm am Geist: Liebe Gemeinde, viele biblische Geschichten sind erzählt nicht im Rückblick auf historische Ereignisse, sondern als Vorblick auf das, was uns noch bevorsteht. Sie sind erzählt, damit sie sich mit uns und unseren Lebensgeschichten glücklich wiederholen.

Und so lese ich die Pfingstgeschichte als eine Geschichte, die wir noch vor uns haben: Dass Gott seinen Geist ausgießen wird, dass wir in neuen Sprachen reden und einander verstehen.

Darum lasst uns bitten an diesem Pfingstfest um den Heiligen Geist, der uns in der Vielfalt die Einheit, die Gemeinschaft spüren lässt, die uns in Gott geschenkt ist.

Und dann mag es sich ereignen, dass sich in der Kirche Menschen begegnen, die sich außerhalb der Kirchenmauern in ihren Milieus und Lebensstilen abgeschottet haben.

Dann mag es geschehen, dass wir sensibel werden für das, was andere bewegt, sie verstehen lernen, auch dann, wenn sie nicht unsere Sprache sprechen.

Dann mag es geschehen, dass wir Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Lebendigkeit begreifen.

Dann mag es geschehen, dass es mir zu Herzen geht, dass Menschen Gott loben, in einer Sprache die mir fremd und einer Musik, die ich nicht mag – und sie doch verstehe, weil sie etwas tun, wozu auch mich der Geist bewegt: zu reden von den großen Taten Gottes.

Und dann wird das Leben zum Fest.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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