Predigt zu Apostelgeschichte 2,1-13

Soll kalt gewesen sein, letztes Wochenende in München.

Nicht nur vom Wetter her. Sondern auch von der Stimmung her: Die scheinbare Herzlichkeit in der Begegnung von Katholiken, Protestanten, Freikirchlern und Orthodoxen beim Ökumenischen Kirchentag konnte wohl doch nicht darüber hinweg täuschen, dass ein eisiges Schweigen herrscht, wenn es um die Feier der Einheit der Kirche geht: „Kein gemeinsames Abendmahl, bitte Respektieren sie die Regeln der je anderen Kirche…“ Und die Repräsentanten bemühen sich um gute Miene zum schlechten Spiel.

Hab ich mir erzählen lassen, war selbst nicht dabei.

Habe aber aus zahllosen Gesprächen eine Ahnung davon, wie das gerade gemischtkonfessionelle Ehepartner schmerzt.

Als protestantischer Pfarrer, der dazu noch einer Landeskirche angehört, die in der Zulassung zum Abendmahl die denkbar größte und selbst anderen protestantischen Landeskirchen viel zu weit gehende Offenheit vertritt, bin ich natürlich leicht dabei, die Spaltung der Kirche in Rom zu verantworten.

Doch Vorsicht ist geboten: Immerhin ist es der römisch-katholischen Kirche gelungen, eine weltweite Einheit zu wahren, während sich der Protestantismus in unzählige Kirchen und Freikirchen ausdifferenziert hat mit zum Teil äußerst markanten Grenzen und aus meiner Sicht manchmal skurilen oder bedenklichen Frömmigkeiten.

Wo ist der Graben wohl tiefer: Zwischen den römischen Katholiken und den Protestanten, die nicht miteinander Abendmahl feiern können, oder zwischen Protestanten und jenen Baptisten, die meinen noch einmal taufen zu müssen, weil sie die evangelische Taufe nicht anerkennen.


Wir sollten es uns in der Frage der Einheit der Kirche nicht zu leicht machen, die Etiketten zu verteilen.

Liebe Gemeinde, ob mit der Pfingstgeschichte weiterzukommen ist in der Frage nach der Einheit der Kirche?

II.
Zwei, drei Gedanken dazu:

1. Wer nach Einheit der Kirche sucht, der stößt in der Pfingstgeschichte zunächst einmal auf Vielfalt. Eine Vielfalt, die geografisch verortet wird: „Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber…“ Und sie sprachen alle verschiedene Sprachen.

Das Pfingstwunder ist kein Wunder der Monotonie.
Es werden nicht alle eines, sondern sie bleiben Vielfalt.
Sie sprechen nicht allesamt eine Sprache.

Was aber der Geist wirkt ist das Verstehen in der Vielfalt.

Wo der Geist wirkt, da gibt es keinen Zwang zur Einheit und zur Vereinheitlichung.


Ich habe den Eindruck, dass wir uns im ökumenischen Gespräch im Blick auf die Einheit der Kirche oft überfordern, weil wir letztlich phantasieren, die Einheit der Kirche müsse doch in unserer Art hergestellt werden.


Als Philipp Melanchthon für den Augsburger Reichstag 1530 die Lehre der Protestanten darstellen sollte, da schrieb er in der Augsburgischen Konfession im VII Artikel über die Kirche:

„ Es wird auch gelehrt, dass alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden.

Denn die ist genug zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, ..Es ist nicht Not zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, dass allenthalben gleichförmige Zeremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden…“

Nein, zur wahren Einigkeit der Kirche gehört die Vielfalt in den Zeremonien.

Für mich ist das wichtig im Blick auf das Leben unserer eigenen Gemeinde und der Vielfalt ihrer Gottesdienste.

Weil wir in einer sehr differenzierten Gesellschaft leben, in der wir ganz unterschiedlichen Milieus oder Lebensstilen begegnen, müssen wir auch unter uns Vielfalt zulassen, gestalten und leben:

Und darum machen wir Musikgottesdienste für die Etablierten, Nachtfalter für die Experimentalisten, Osternächte für moderne Performer, Eventgottesdienste für die jugendlichen Hedonisten, Familiengottesdienst für die bürgerliche Mitte und normale Gottesdienste für Konservative.

Und haben letztlich auch eine neue Liturgie eingeführt.

Es geht nicht darum, dass alles gleich wird .


2. Das alleine aber wäre zu wenig. Denn die Vielfalt, die in der Apostelgeschichte erzählt wird, bleibt ja nicht beziehungslos nebeneinander stehen.


Wo der Geist wirkt, da verändert sich was.

Wo der Geist wirkt, da kommt diese Verschiedenheit miteinander ins Gespräch und entdeckt das Wunder des Verstehens:

Ein Wunder, das den Schaden heilt, der aus der menschlichen Hybris des Turmbaus zu Babel erwuchs, als Gott herniederfuhr, den Turm zerstörte und die Sprache der Menschen verwirrte.

Eine archaische Geschichte, die vom Fluch des Nicht-Verstehen-Könnens erzählt.

Nun aber hört sie ein jeder in seiner Muttersprache, in seinem Dialekt reden.

Darum lasst uns bitten an diesem Pfingstfest um den Heiligen Geist, der uns in der Vielfalt die Einheit, die Gemeinschaft spüren lässt, die uns in Gott geschenkt ist.

Und dann mag es sich ereignen, dass sich in der Kirche Menschen begegnen, die sich außerhalb der Kirchenmauern in ihren Milieus und Lebensstilen abgeschottet haben.

Dann mag es geschehen, dass wir sensibel werden für das, was andere bewegt, sie verstehen lernen, auch dann, wenn sie nicht unsere Sprache sprechen.

Dann mag es geschehen, dass wir Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Lebendigkeit begreifen.

Dann mag es geschehen, dass es mir zu Herzen geht, dass Menschen Gott loben, in einer Sprache die mir fremd und einer Musik, die ich nicht mag – und sie doch verstehe, weil sie etwas tun, wozu auch mich der Geist bewegt: zu reden von den großen Taten Gottes.

3.
Damit bin ich bei der letzten Anmerkung: Nicht umsonst wird die Geschichte am jüdischen Pfingstfest erzählt.

Das jüdische Pfingstfest: Schavuot, ist das Fest, an dem das Judentum die Gabe der Thora feiert. Gefeiert wird, dass Gott mit den Menschen am Sinai in Brausen und Tosen in Kontakt getreten ist und ihnen seine gute Weisung zum Leben gegeben hat.

Die Pfingstgeschichte spielt mit den Motiven aus der Erzählung aus 2. Mose 19.

Deutlich wird: An Pfingsten gibt Gott seine Weisung in alle Welt. Was zuvor dem Volk Israel gegeben wurde, wird nun in die Völkerwelt gesandt.

Und die Menschen verstehen es und beginnen die großen Taten Gottes zu loben.

Liebe Gemeinde, das ist das Ziel der Pfingstgeschichte, dass Menschen in aller Herrn Ländern ins Lob Gottes einstimmen.

Auf unterschiedliche Weise, in verschiedenen Sprachen und mit ganz verschiedenen Zeremonien loben wir den einen Gott.

In ihm hat die zerrissene und manchmal verquere und sture Kirche ihre Einheit: in dem einen Gott, den sie lobt.

III.
Was heißt das für die Ökumene:

Zunächst einmal: Lasst uns Gott gemeinsam loben, so oft und so vielfältig es geht. Zum Beispiel jetzt jeden Mittwoch beim Mittagsgebet.

Das Zweite: Lasst uns die Vielfalt der Kirchen, aber auch die Vielfalt in unserer Gemeinde begreifen als unterschiedliche Dialekte der einen Sprache Gottes, Dialekte mit denen Gott sein Evangelium in die Welt bringen will. Und uns daran freuen, dass Menschen, die sein Wort bei uns nicht so hören, wie es sie anspricht, vielleicht in der anderen Kirche eine Sprache finden, die sie hören können.

Und wenn das so ist, dann kann Häme über die Krise der katholischen Kirche jedenfalls nicht die Haltung evangelischer Christen sein.


Wir brauchen die katholische wie die orthodoxe wie die freikirchlichen Kirchen, weil wir alleine eine langweilige Monotonie abgäben, die der Lebendigkeit des Geistes nicht genügt.


Und für das Abendmahl: Jo mei: Mia san mia. Und wir meinen, dass die Kirche der Einladung Jesu an seinen Tisch möglichst nicht im Wege stehen sollte. Und so laden wir herzlich ein zum Abendmahl. Und vertrauen darauf, dass dieser Einladung an den Tisch des HERRN auf Dauer nicht wiederstanden werden kann. Nicht weil wir es so wollen, sondern weil er es so wirkt.

Kommentare

  1. Also die frage betrifft zwar nicht diese predigt, aber ich wusste nicht genau wo ich sie sonst stellen soll. Wird die Predigt aus dem Gotedienst von Freitagabend auch ins netzt gestellt?
    Danke

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