Predigt zu 2. Korinther 5,14-21

"Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, hinabgestiegen in das Reich des Todes…“
 
„…und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr“.

Liebe Gemeinde, unser Glaubensbekenntnis zeugt von einer radikalen Interpretation der Worte des Apostels: Der Jesus nach dem Fleisch kommt in ihm nicht vor, der Jude Jesus in der Synagoge, der Schriftgelehrte im rabbinischen Disput, der Wanderprediger auf dem Berg, der Geschichtenerzähler nicht und der Wunderheiler…

Stattdessen springt das Bekenntnis vom Geboren- werden von der Jungfrau Maria sogleich zum Leiden unter Pontius Pilatus, von der Zeugung durch den Heiligen Geist zum Hinabsteigen in das Reich des Todes – und versucht so miteinander zu versöhnen, was für uns nicht zu versöhnen ist:

Gottes Geist und der Tod.
Die lebenspendende Gottesmutter und der todbringende Prokurator.
Himmel und Hölle.

Gott aber hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.

II.
Das Wort von der Versöhnung.

Teures Wort!

Dass die Zerrissenheit der Welt zwischen Heil und Unheil, zwischen Mensch und Mitmensch, zwischen mir und Gott, versöhnt, geheilt ist.

Die Macht der Sünde für immer gebrochen, weil er sie nicht zurechnet.

Jene Macht, die unter uns wirkt, seit jenem Griff nach der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Als wüssten wir nicht, den Riss zu zeigen, unter dem wir und mit uns diese Welt leiden:

Kain erschlägt Abel, dass das Blut des Bruders vom Acker schreit. Und muss unstet und flüchtig leben.

Einen Namen wollen sich die Menschen machen, bauen immer höher Türme in dem Himmel, wollen sein wie Gott. Der ihrer lacht, als er herniederfährt… welcher Zynismus: All unsere Höhenrekorde sind lächerlich gegen die Größe Gottes, der herniederfahren muss, um sie in die Grenzen zu weisen, die sich manifestieren im Nicht-Verstehen des Anderen.

Urgeschichten, die sich wiederholen jenseits von Eden.

Machen wir’s konkret:

Es geht ein Riss hindurch zwischen unserem Denken und unserem Tun: Wir wissen ja um die katastrophalen Folgen des Klimawandels, aber…

Wir wissen ja darum, dass unser Lebensstil den anderen die Existenzgrundlage raubt: Heute schon den Menschen in den armen Ländern des Südens, morgen unseren Kindeskindern bei uns, wir wissen, dass wir auf Pump leben, aber…

Wir wissen den Skandal, dass es für die 800 Millionen ärmsten und hungrigsten Menschen der Erde weniger Geld gibt, als die Wall-Street-Banker als Boni nach Hause tragen, aber…

Wir wissen darum, dass die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Lande immer weiter auseinander geht, dass Kinderarmut ein Thema ist in Troisdorf, dass wir weit entfernt sind von einer familiengerechten Gesellschaft, aber…

„Wie ein Riss in einer hohen Mauer“ ist das Wort der EKD zur Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise überschrieben und nimmt in dieser Überschrift ein Bild des Propheten Jesaja auf. Der erzählt von einem kleinen Riss, der sich, zunächst kaum sichtbar, immer weiter in eine hohe Mauer frisst, bis der Mörtel rieselt, der die Steine hält und am Ende die ganze Mauer einstürzt.

Gott aber hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.

III.
Es ist kein „Heile, heile Segen, es wird schon wieder gut“ – Wort, dieses Wort von der Versöhnung.

Sondern eines von tödlichem Ernst.
Da stirbt einer am Kreuz den Tod der Welt.

Und der da stirbt, ist kein anderer als Gott selbst. „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber“. Darum starb einer den Tod für alle. Weil dieser eine Gott selber war.

Gott selber, der nicht jenseits des Risses blieb, der nicht in der Höhe blieb, dem der Himmel nicht genügte, sondern der hinüber kam zu uns, jenseits von Eden, der zu denen kam, die gedemütigt und zerschlagenen Geistes sind, der hinabstieg in das Reich des Todes.

Wer diesen Zusammenhang zerreißt, kommt zu einem nach meiner Auffassung falschen, unbiblischen Verständnis des Todes Jesu.

Nein, Gott ist kein Zeus, der vom Himmel seine Blitze schleudert und den man mit einem Opfer milde stimmen könnte. Nein, Jesus ist nicht ein Opfer, das Gott brauchte, um seinen Zorn zu besänftigen.

In dieser Art, den Sühnetod Jesu zu denken, ist mehr Heidentum als biblisches Denken zu finden.
Sondern er selbst, Gott selbst ist es, der sich in die Hände derer gibt, die Tod und Vernichtung bringen.

Gott selbst opfert sich selbst, gibt sich selber hin, um die Zerrissenheit der Welt zu heilen, in dem er sie teilt.

So geschieht seine Versöhnung, dass er von sich aus den Riss überbrückt, vom Leben in den Tod geht, vom Himmel in die Hölle – und wieder aufersteht.

IV.
Liebe Gemeinde, spätestens jetzt müssen wir den Tod und das Leben, das Kreuz und die Auferstehung, Karfreitag und Ostern zusammendenken.

Denn er ist ja nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden.

Er hat die Pforten der Hölle zerstört, wir werden es morgen nach feiern.

Er hat die Pforten der Hölle zerstört, auf dass wir die Freiheit zum Leben gewinnen.

Die Evangelien sehen in Jesus das Passalamm, Symbol der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei. Wir sind befreit aus der Macht des Todes, müssen nicht weiter nach seinen Gesetzen leben.

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden.“

V.
Liebe Gemeinde, von diesem Neuen zu reden, ist unser Amt.

Das Wort von der Versöhnung auszurichten an alle Welt, ist unsere Mission – „non vi, sed verbo“ – nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort.

Ermahnen, wo zu mahnen ist. Das kann Opfer bedeuten: Opfer an Ansehen, an Zuneigung, am Leben gar – die Märtyrerinnen und Märtyrer der Kirche von Stephanus bis Bonhoeffer sind Zeugen des Wortes von der Versöhnung.

Ermahnend und bittend an Christi statt… Ich finde das einen intensiven Ausdruck, denn im Bitten kommt mein innerstes Anliegen nach außen: Dass der Riss nicht größer werde, dass Versöhnung gelinge zwischen mir und den anderen und uns und Gott – ein inneres Anliegen. Aber so, dass dem anderen alle Freiheit gelassen und gewährt wird.

Das ist unser Amt, zu ermahnen und zu bitten an Christi: „Lasst euch versöhnen mit Gott“ – auf dass es neu werde mit uns und dieser Welt.
Amen.

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