Gier Macht Krieg
Predigt zur Ökumenischen Friedensdekade 2011
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß nicht, wie es ihnen geht… - ich jedenfalls feiere diesen Gottesdienst heute in einer merkwürdigen Aufgewühltheit.
Europa steckt in einer tiefen Krise. Und etabliert zu ihrer Bewältigung eine Herrschaft der Regierungen. Gipfel entscheiden mehr als gewählte Parlamente, geschweige denn das Volk. Das geht derweil auf die Straße, ist nicht länger gewillt, Sparprogramm um Sparprogramm zu tragen, während Banken mit Steuergeldern gestützt werden.
Es mag ja alles richtig sein – und rüttelt doch an den Fundamenten dessen, was sich Europa mühevoll und verlustreich errungen hat.
Die teilweise gewalttätigen Proteste in Athen in den vergangenen Wochen sind meiner Wahrnehmung nach nur die Spitze des Eisberges der sozialen Spannungen.
Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander – auch in unserem Land, vor allem aber im globalen, im weltweiten Horizont.
Und die Armen gehen aufs Meer, versuchen ihrer Not zu entfliehen ins reiche Europa, das Mauern an seinen Grenzen baut, das Flüchtlinge abdrängt oder gar mit militärischen Mitteln – sprich: mit Waffengewalt – zur Umkehr oder Aufgabe zwingt.
6000 Menschen verlieren so Jahr für Jahr ihr Leben im Mittelmeer – es sind die vorsichtigen Schätzungen.
Wie lange geht das gut?
II.
In diese und viele andere Kontexte hinein hören wir auf Vorschlag der ökumenischen Friedensdekade heute die Geschichte vom reichen Kornbauern aus Lukas 12,15-21:
Und er sprach zu ihnen:
Seht zu und hütet euch vor aller Habgier;
denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach:
Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.
Und er dachte bei sich selbst und sprach:
Was soll ich tun?
Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.
Und sprach: Das will ich tun:
Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen
und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte
und will sagen zu meiner Seele:
Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre;
habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!
Aber Gott sprach zu ihm:
Du Narr!
Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern;
und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?
So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
III.
Liebe Gemeinde, wie viele Menschen sich wohl sehnen nach der komfortablen Situation, in der sich der reiche Kornbauer befindet:
„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut.“
Ein seliger Ruhestand. Rentnerdasein der luxuriösen Art, wie es den wenigsten Ihrer Generation geschenkt ist und wie es wohl die wenigsten meiner Generation – trotz Vorsorge - je erreichen werden.
Aber immerhin haben wir ja genug für heute… Das kann nicht jeder sagen.
Aber wären denn volle Kassen und Vorräte für viele Jahreund ein gesicherter Ruhestand ein Garant für die Ruhe meiner Seele?
Es ist schon auffällig, wie eindringlich der Kornbauer mit seiner Seele ins Gespräch geht:
„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“
Offensichtlich sind wir in unseren Seelen viel sensibler als in unseren Köpfen.
Und wenn der Kopf noch so in die Seele dringt, so mag doch die Seele eine Unruhe bewahren, auch wenn äußerlich kein Grund gegeben ist.
Wohl deshalb, weil die Seele nur zu gut weiß, dass der Mensch nicht vom Brot alleine lebt und Ruhe sich weder erkaufen noch diktieren lässt.
IV.
„Es ist noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes“ rühmt der Hebräerbrief (Hebr. 4,9).
Bei den Propheten Micha und Sacharja ist die Ruhe unterm Feigenbaum Ausdruck des Heils: „Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken“ (Micha 4,4: Sach 3,10).
Und schließlich: „Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hat.“ Die Ruhe ist die Krone der Schöpfung, der Sabbat, der Feiertag ihr Ziel.
Ruhe ist in der Bibel ein Ausdruck besonderen Segens, ist Geschenk und kein Verdienst der Macher und weder mit Gut noch Geld zu erkaufen.
V.
Es wird einmal mehr deutlich in unserem Predigttext:
Die vollen Scheunen sind kein Garant für ein ruhiges Leben.
Viel eher stehen sie der Ruhe im Wege:
Es fällt auf, wie sehr sie dazu führen, dass der Kornbauer völlig auf sich selbst fixiert ist. 5 mal steht im Text das "Du" und "Ich" als Selbstanrede des Kornbauern.
Der christliche Glaube lebt aber aus der Entdeckung, dass meine Seele schwerlich im Kreisen um mich selbst zur Ruhe kommt.
„Unruhig ist mein Herz bis es Ruhe findet in Dir“ - Augustin.
Bei Luther findet sich das Bild vom um sich selbst kreisenden und darum in sich selbst verkrümmten Menschen.
Um zur Ruhe zu kommen, bedarf es eines Punktes außerhalb meiner selbst, an dem ich mich festmachen kann, der unverbrüchlich bleibt und hält über die Grenze von Leben und Tod hinaus.
Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht falle. - Psalm 62.
Im Kreisen um mich selbst und das, was ich habe, finde ich keine Ruhe.
Das gilt für mich als Privatperson ebenso wie es für Europa und mit ihm für die reiche nördliche Welt gilt.
Wir finden keine Ruhe, solange wir unseren Reichtum für uns behalten und bewahren und - unter der Ideologie des Wachstums - ausbauen wollen.
Wir finden keine Ruhe, solange Menschen elementare wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vorenthalten werden. Und wir meinen, wir könnten unseren Wohlstand, unser Sozialsystem und unsere Kultur vor dem Begehren derer schützen, die für sich und ihre Familien keine Perspektiven haben.
VI.
Dazu passt, dass im Predigttext deutlich wird, das Eigentum immer nur Leihgabe ist. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ sagt der Volksmund. „Wem gehört nun das alles?“, fragt der Schöpfer.
Eine Frage, die unbequem wird in Zeiten, da wir zu einer ängstlich hamsternden Gesellschaft geworden sind.
Wem gehört denn das alles, was du hast?
Ist es Leihgabe Gottes zum guten Gebrauch, dann muss man schon fragen, ob es denn ein gottgemäßer Umgang ist, Besitz zu bunkern und Eigentum zu horten und Kapital anzuhäufen.
In früheren Zeiten hat gerade die Evangelische Kirche immer wieder darauf hingewiesen, dass Eigentum sozial verpflichtet, dass Eigennutz und Gemeinwohl in einen Ausgleich gebracht werden müssen.
In diesem Frühjahr ist die Rheinische Kirche sogar einen Schritt weitergegangen und fordert in dem von der Synode beschlossenen Impuls-Papier: „Chance für eine gerechtere Welt“ gar eine Begrenzung des Privateigentums.
V.
Liebe Gemeinde, „GierMachtKrieg“ titelt die ökumenische Friedensdekade und stellt damit den Zusammenhang her zwischen der Gier, dem Anhäufen von Besitz, von Reichtümern und Rohstoffen, und dem Krieg.
Nicht nur, weil ich nicht darüber streiten will, ob jeder Krieg – auch die gegenwärtigen Kriege unter deutscher Beteiligung - einzig dieser Logik folgen, sondern vor allem, weil ich es für den zukunftsfähigeren Blick halte, ist mir die umgekehrte Blickrichtung lieber: Das Leitbild des „gerechten Friedens“, das deutlich macht, dass Frieden und Gerechtigkeit, das Ruhe und Teilhabe aller an Gottes reichem Segen, einander bedingen, „…dass in unserem Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen…“ (Ps 85,10ff.).
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