Seelenruhe

Predigt zu Lukas 12,15-21 am Erntedankfest 2023 in der Lukaskirche Bonn 

Liebe Gemeinde,

damit wir alle heute be-reichert, also reicher nach Hause gehen, als wir hergekommen sind, darum wird uns heute als Predigttext die folgende Geschichte erzählt.

Der sie erzählt ist einer, der mit seinen Worten und Taten, mit seinen Geschichten und Gleichnissen, mit Brotbrechen und Tischgemeinschaft Menschen reich machte:

Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, Taube hörend und den Armen verkündigte er das Evangelium, die gute Nachricht von der Liebe Gottes (Lk 7,22).

Den korrupten Zöllner rief er vom Baum und den Reichen stellte er wie ein Kamel vor's Nadelöhr (Lk 18,25), während er liebevoll auf die Witwe blickte, wie sie ihr Scherflein einlegte, das nicht ein Teil ihres Überflusses war, sondern alles, was sie zum Leben hatte (Lk 21,1ff).

Die Armen pries er selig (Lk 6,20), denn er war gesalbt und gesandt, „zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des HERRN.“ (Lk 4,18)

Ihm will ich zuhören, wenn er mir jetzt diese Geschichte erzählt.

Nicht weil ich arm wäre an Gütern und Gaben, beileibe nicht; wohl aber an der Seele.

Ich spüre, dass ich damit allein nicht glücklich werde, bin besorgt und unruhig und suche nach einem Wort, das mir hilft, mich gründet und hält, stärkt und bereichert.

Ich habe die Vermutung, dass heute hier im Gottesdienst Menschen sitzen könnten, denen es genauso geht wie mir.

Darum will ich hören, wenn Jesus mir jetzt das Gleichnis erzählt vom reichen Kornbauern und Sie einladen, es mit mir zu tun:

Jesus sprach zu ihnen:

Seht zu und hütet euch vor aller Habgier;

denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.

 

Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach:

Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen.

Und er dachte bei sich selbst und sprach:

Was soll ich tun?

Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.

 

Und sprach:

Das will ich tun:

Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen

und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter

und will sagen zu meiner Seele:

 

Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre;

habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

 

Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr!

 

Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern.

Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast?

 

So geht es dem, der sich Schätze sammelt

und ist nicht reich bei Gott.

 

Liebe Gemeinde,

 

„es war ein reicher Mann“…

In der Zeitenwende, in der sich Krise an Krise reiht,

Corona die Lieferketten unterbrach und Güter verknappte,

der Krieg in der Ukraine Energiekosten in die Höhe trieb

und die Preise in die Inflation,

die Kosten des Klimawandels explodieren

und die Maßnahmen dagegen notwendig zu bezahlen sind,

in der Zeitenwende, in der die Infrastruktur kollabiert und Fachkräfte fehlen – was uns nur davor bewahrt festzustellen, dass wir sie gar nicht mehr bezahlen können in den Kindertagesstätten, den OGSsen, den Seniorenzentren und Krankenhäusern,…

ja, in diesen Tagen, da sind die Existenzsorgen in der Breite der Bevölkerung längst angekommen: Das mit dem „reichen Mann“ war einmal.


II.

Existenzsorgen.

Wie viele Menschen sich wohl sehnen nach der komfortablen Situation, in der sich der reiche Kornbauer befindet:

„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut.“

Ein seliger Ruhestand. Rentendasein der luxuriösen Art, wie es den wenigsten der älteren Generation geschenkt ist, und wie es wohl die wenigsten meiner Generation – trotz Vorsorge - je erreichen werden, und wie es für die Jungen gar nicht mehr vorstellbar ist.

Aber immerhin haben wir ja genug für heute…

Das kann nicht jeder sagen.

Aber wären denn volle Scheunen und Kassen und Vorräte für viele Jahre und ein gesicherter Ruhestand ein Garant für die Ruhe meiner Seele?

Ging es der Seele jener, die Klopapier und Öl und Mehl auf Vorrat horteten… ging es ihrer Seele in der Isolation und der sozialen Distanz und dem Hocken zuhause, ging es ihrer Seele gut?

Auch unser Kornbauer scheint das zu fühlen: Niemandem geht es gut, weil er viele Güter hat…

Es ist schon auffällig, wie eindringlich er mit seiner Seele ins Gespräch geht:

„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“

Offensichtlich sind wir in unseren Seelen viel sensibler als in unseren Köpfen.

Und wenn der Kopf noch so in die Seele dringt, so mag doch die Seele eine Unruhe bewahren, auch wenn äußerlich kein Grund gegeben ist.

Wohl deshalb, weil die Seele nur zu gut weiß, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt und Ruhe sich weder erkaufen noch diktieren lässt.

 

III.

Ruhe

Sehnsuchtsort meiner aufgescheuchten Seele und Verheißung des Glaubens.

Ruhe: „Es ist noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes“ verheißt der Hebräerbrief (Hebr. 4,9).

Bei den Propheten Micha und Sacharja ist die Ruhe unterm Feigenbaum Ausdruck des Heils: „Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken“ (Micha 4,4: Sach 3,10).

Und schließlich: „Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hat.“  Die Ruhe ist die Krone der Schöpfung, der Sabbat, der Feiertag ihr Ziel.

Ruhe ist in der Bibel ein Ausdruck besonderen Segens, ist Geschenk und kein Verdienst der Macher; weder mit Gut noch Geld zu erkaufen. 

 

IV.

Seelenruhe

„Liebe Seele, du hast einen Vorrat für viele Jahre, habe nun Ruhe“

Nein, die vollen Scheunen sind offensichtlich kein Garant für ein seelenruhiges Leben.

Viel eher stehen sie der Ruhe im Wege:

Es fällt auf, wie sehr sie dazu führen, dass der Kornbauer sich nur noch mit ihnen und sich selbst beschäftigt, wie er völlig auf sich selbst fixiert ist.

Fünfmal steht im Text das "Du" und "Ich" als Selbstanrede des Kornbauern: „Das will ich tun… ich will meine Scheunen abbrechen…ich will sammeln … ich will sagen…“

„Ich“, „Ich“, „Ich“…

Der christliche Glaube lebt aber aus der Erfahrung, dass meine Seele schwerlich im Kreisen um mich selbst zur Ruhe kommt. Nicht wer fünfmal „Ich“ sagt findet Ruhe, denn es fehlt ein „Du“…

„Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in Dir“ betet der Kirchenvater Augustin.

Bei Luther findet sich das Bild vom „um sich selbst kreisenden“ und darum „in sich selbst verkrümmten Menschen“.

Um zur Ruhe zu kommen, bedarf es eines Punktes außerhalb meiner selbst, an dem ich mich festmachen kann, der unverbrüchlich bleibt, den weder Motten noch Rost fressen und wo keine Diebe einbrechen und stehlen. Es braucht einen Fixpunkt, der hält über die Grenze von Leben und Tod hinaus.

Denn der „Vorrat für viele Jahre“, mit dem der Kornbauer die Ruhe seiner Seele erwirken will, kann schon „in dieser Nacht“ verloren sein, spricht Gott. Und ein Narr, wer sich nicht belehren lässt, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Nein, zur Seelenruhe brauchen wir etwas, das uns trägt und hält, ermutigt und hoffen lässt, das nicht auf Sand gebaut ist.

„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht falle.“ - Psalm 62.

Im Kreisen um mich selbst und das, was ich habe, finde ich keine Ruhe.

Besitz macht nicht glücklich… Darum zum Schluss:

 

V.

Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast?

Besitz macht nicht glücklich und nicht sicher und lässt uns keine Ruhe.

Das gilt für mich als Privatperson ebenso wie es für Europa und mit ihm für die reiche nördliche Welt.

Wir finden keine Ruhe, solange wir unseren Reichtum für uns behalten und bewahren und - unter der Ideologie des Wachstums - ausbauen wollen.

Wir finden keine Ruhe, solange Menschen elementare wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vorenthalten werden. Es bleibt ein Kampf, wenn wir meinen, wir könnten unseren Wohlstand, unser Sozialsystem und unsere Kultur vor dem Begehren derer schützen, die für sich und ihre Familien keine Perspektiven haben.

Dazu passt, dass im Predigttext deutlich wird, das Eigentum immer nur Leihgabe ist. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ sagt der Volksmund. „Wem gehört nun das alles?“, fragt der Schöpfer.

Eine Frage, die unbequem wird in Zeiten, da wir zu einer ängstlich hamsternden Gesellschaft geworden sind.

Wem gehört denn das alles, was du hast?

Ist es Leihgabe Gottes zum guten Gebrauch, dann muss man schon fragen, ob es denn ein gottgemäßer Umgang ist, Besitz zu bunkern und Eigentum zu horten und Kapital anzuhäufen.

Es ist eine ethische Grundposition der Evangelische Kirche, dass Eigentum sozial verpflichtet, dass Eigennutz und Gemeinwohl in einen Ausgleich gebracht werden müssen.

Und immer deutlicher wird, dass die Maxime der stetig wachsenden Wirtschaft die planetaren Grenzen überschreitet, die einzuhalten ein Leben auf Zukunft hin möglich machen würden.

Was wir dringend brauchen, ist der Perspektivwechsel, den der Prediger aus Nazareth uns nahelegt: Wir behalten nichts, wir gewinnen nichts im immer mehr; aber verlieren Seele, Leben und Welt.

Aber damit wir leben können, hier und heute und nicht auf Vorrat, damit wir zur Ruhe kommen an Leib und Seele, darum hat er uns diese Geschichte erzählt, die mich auf andere Art – reich macht!

Wir können anders! Wir können freier! Reicher! Leben!

Amen.

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