Das Fest beginnt...!

Predigt zu Johannes 7,37-39 am Sonntag Exaudi in der Johanneskirche, der evangelischen Stadtkirche in Troisdorf

Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Liebe Gemeinde,
unser Leben sein ein Fest.
Das jedenfalls ist Gottes Wille.
Das Leben ein Fest. Und der Geist der Freudenmeister.
Das ist Gottes Zusage an diesem Sonntag.

Und den Lebensdurstigen gilt sie zu allererst: Kommt her zu mir und trinkt, die ihr ausgetrocknet seid nach Leben wie ein alter Schwamm nach Wasser, kommt her und trinkt!

Am letzten Tag des Festes ertönt dieser Ruf, so wird erzählt. Am letzten Tag des Festes, wo der Jammer sich breitmacht, weil das Fest sich seinem Ende zu neigt. Das Fest ist aus.

Ich stell mir das vor so wie beim Kirchentag heute Morgen: Ein Fest des Glaubens im Rücken. Nach unendlichen Kilometern Pflastertreten bei 30 Grad und überfüllten U- und S-Bahnen erschöpft, jetzt auf dem Weg zum Abschlussgottesdienst. Und dann geht es nach Hause, durch den Stau auf überfüllten Autobahnen. Und sie ahnen: Zuhause ist nicht Berlin, ist Troisdorf, sind nicht 100.000 Tausend, sondern 100 – und dann ist es gut. Ist kein Hecheln von Highlight zu Highlight, sondern nur der ganz normale Alltag. Am letzten Tag des Festes… Das Fest ist aus.

Nun sind wir ja nicht beim Kirchentag…

Was also heißt das für uns heute Morgen hier in Troisdorf, liebe Gemeinde?

I.
a)
Das Fest ist aus! Das ist für die Kirchgänger unter uns unsere Befindlichkeit im Kirchenjahr. Das Fest ist aus. Ostern liegt hinter uns. Die Himmelfahrt auch. Und jetzt ?

In der Dramaturgie des Kirchenjahres sind wir gleichsam an einem retardierenden Moment angelangt: Alles steht noch mal für einen erschreckenden Augenblick still. Das Publikum hält den Atem an, zweifelnd, ob das Stück noch wird ein gutes Ende nehmen können oder ob die Tragödie unausweichlich ist.

Denn: Was passiert nun nach Ostern und Himmelfahrt, da der Auferstandene den Blicken und den Zugriffen seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger entzogen ist? Und weg ist er…

Das Fest ist aus! Das mag die Stimmung der Jünger gewesen sein, als sie ihn, ich greif auf das biblische Bild zurück, in den Wolken gen Himmel entschwinden sahen. Ein Sonntag im Vakuum des Glaubens.

Das Fest ist aus! Das Vakuum des Glaubens, das mag auch oft die Situation unseres Glaubens sein: Wir sind alleingelassen. Wir haben Jesus nicht greifbar. Wir haben vielleicht auch keine besonderen religiösen Erlebnisse mit ihm. Wir stehen möglicherweise etwas orientierungslos herum. Wissen nicht so recht, was wird. Leben im luftleeren Raum: Sehen nichts und sollen doch glauben.

Das Fest ist aus. Und Katerstimmung macht sich breit. Katzenjammer wie am Morgen nach einem kräftigen Rausch. Und nun raten sie bitte bloß nicht zu Rollmöpsen und sauren Gurken. Unser zweifelnder Glaube braucht einen besseren Rat.

b)
Das Fest ist aus! Das mag – jenseits der Religion - auch für so manches Leben gelten, das heute hier in diese Kirche gekommen ist. Das Fest ist aus! Die Füße tragen nicht mehr so recht. Die Schritte sind wackelig geworden. Die Hände zitternd. Das Leben hat längst seine Hoch-Zeit hinter sich.

c)
Das Fest ist aus! Vielleicht gilt es auch für so manche Beziehung, die Menschen miteinander haben. Die Liebe ist dahin. Der Alltag hat sie eingeschläfert wie der Tierarzt einen altersschwachen Hund. Routine war die Mörderin der Leidenschaft. Und Selbstverständlichkeit vertreibt die Phantasie.

d)
Das Fest ist aus! Für viele junge Menschen hat es noch gar nicht angefangen. Und so mancher von ihnen erwartet es auch gar nicht mehr. Da ist ein erschreckender Verlust an Visionen und Lebensperspektiven zu verzeichnen. Eine langweilige Angepasstheit und eine wahrhaft unerträgliche Leichtigkeit des Seins.

Oder aber - bei den anderen - ein heilloses Suchen nach der Fülle des Lebens, nach Sinn, nach Ganzheit, nach Erfüllung, nach meinem Platz im Geschehen dieser Welt. Und jede Menge Enttäuschung. Das Fest ist aus, noch ehe es begonnen hat.

e)
Das Fest ist aus! Der biblische Text und das Kirchenjahr sprechen uns heute auf jene Situationen unseres Lebens an, in denen das Leben fraglich wird und der Glaube brüchig. Situationen, die dem einen heute Morgen vielleicht ganz fern sind, der anderen aber ganz nah und auf die Pelle gerückt. Situationen jedenfalls, die – so behaupte ich - jedes Leben kennt.

II.
Eine Situation, die vielleicht auch unser Evangelist im Blick hatte, als er die Sätze niederschrieb: "Aber am letzten Tag des Festes..."

Und jetzt möchte ich gerne versuchen, diese biblische Geschichte transparent zu machen auf genau diese Situationen unseres Lebens.

Lassen wir uns heute von dem biblischen Erzähler im Umgang mit diesen nachfestlichen Stimmungen und der Schwermut des Lebens helfen.

Nicht mit Rollmöpsen und Ölsardinen kuriert er – wohlbemerkt der biblische Erzähler - unseren Katzenjammer, sondern mit einer Geschichte.

a)
Eine alte Geschichte zunächst. Eine Geschichte aus der Zeit erinnert er, als das Fest noch am schönsten war und der Freudenmeister, Jesus, noch mitten dabei.

"Aber am letzten Tag des Festes, damals, trat Jesus auf und rief..."

Erinnerung, das heißt, der Evangelist wendet unseren selbstmitleidigen Blick zunächst einmal von uns ab nach rückwärts. Nach rückwärts auf eine alte Geschichte.

Allein dieser Blick zurück ist ja schon von therapeutischem Wert. Sich zu vergewissern: Das Fest fand statt. Mein Glaube hat eine Geschichte. Mein Leben hat eine Geschichte. Und sie war schön. Das ist schon heilsam gegen so manche Schwermut; freilich kein Patentrezept.

Sie können die Probe aufs Exempel machen: Schauen Sie sich noch mal alte Familienbilder an. Gucken Sie Fotos vom Urlaub vor 5 Jahren… Und Sie werden spüren: Das macht was mit ihnen, das verändert was, so ein Blick zurück, eine Erinnerung an alte Geschichten.

III
Weil dem nicht immer so ist, dass die Erinnerung an das eigene Leben glücklich ist und weil sie auch nicht dauerhaft glücklich macht, lässt sich der Evangelist sich darauf gar nicht lange ein:

Er erinnert ja nicht nur ein altes Ereignis, sondern er erinnert Worte Jesu, die der auf dem Fest sprach: "Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt." und "Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen."

Das ist noch mal etwas Anderes. Denn die Erinnerung an Worte Jesu ist eine Erinnerung, die uns nicht in der Vergangenheit belässt, sondern eine Erinnerung, die von Zukunft spricht. Die Therapie des Evangelisten ist eine Erinnerung an die Zukunft.

Indem uns der Evangelist hören lässt, was Jesus damals auf dem Fest sagte, eröffnet er uns die Perspektive auf das, was werden soll: Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt.

Da hören wir, was aus unserem Durst werden soll. Der Durst soll nicht durstig bleiben. Er soll gestillt werden.

Jesu Worte damals auf dem Fest, sie sprechen gerade zu uns, die wir meinen, das Fest sei aus. Und sie machen klar:

Das Fest ist aus, das kann nur sagen, wer nicht recht gesehen und gehört hat, welche Verheißungen dem Leben noch gegeben sind, welche Möglichkeiten gegeben und offen sind.

Auch wo einer meint, das Fest sei aus, das Leben habe seinen Reiz und seine Freude verloren, da wird von der Möglichkeit der Freude und der Erfüllung gesprochen.

Freilich: Unsere Feste enden. Aber uns ist ein Fest verhießen, das nicht enden wird.

Freilich: uns plagt der Nachdurst, der Durst nach Leben. Aber uns ist verhießen, dass Ströme lebendigen Wassers unseren Durst stillen werden.

Freilich müssen wir am Ende, an der Schwelle des Todes nach menschlichem Ermessen sagen: Das Fest ist aus. Wir hören aber die Verheißung, dass gerade hier das Fest erst recht beginnt.

Wer da dürstet, der komme zu mir. Der diese Einladung ausspricht, das ist der, der den Durst nach Leben kennt wie kein zweiter: „Mich dürstet“, spricht er am Kreuz.

Vielleicht macht gerade das seine Einladung glaubwürdig. Dass er den Durst kennt, dass er das Leiden kennt, dass er den Tod kennt, dass er gerade durch Durst und Leiden und Tod hindurch uns das Fest zu bereiten verspricht.

Das Leben sei ein Fest: Das heißt nicht: Gute Nacht ihr Sorgen. Das meint nicht karnevalistisches Überspielen aller Not, sondern das heißt gerade in Schwermut und Not und Leiden wieder eine Perspektive der Zukunft gewinnen, wieder Hoffnung gewinnen, das Leben wiedergewinnen.

Der Blick auf Gottes Verheißungen eröffnet unserem Katzenjammer wieder Perspektive für die Zukunft.

IV.
Und nun heißt es:
Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten.

Machen wir uns klar, liebe Gemeinde, dass diese Worte uns nach dem Jerusalemer Pfingstereignis erreichen. Machen wir uns klar, dass uns diese Worte treffen kurz vor dem nächsten Fest des Kirchenjahres, dem Pfingstfest, dem Fest, an dem wir uns daran erinnern, dass Gott seinen Geist ausgegossen hat, die Zukunft also bereits Gegenwart geworden ist.

Wo der Heilige Geist wirkt, da ist Freiheit, da ist Offenheit für die Möglichkeiten des Lebens, da bleibt man nicht gefangen in der Schwermut und fixiert auf das Ende des Festes.

Klar gesagt: Wo wir erkennen, dass wir immer eine Fülle an Möglichkeiten mehr haben, als uns verwehrt sind, da wirkt Gottes Geist.
Wo wir im Ende den neuen Anfang erkennen, da ist Gottes Geist.
Wo wir im Scheitern nicht verzagen, sondern neue Ziele suchen, da ist Gottes Geist.

Das Fest ist nicht aus – das wird erfahrbar gerade in Grenzsituationen, gerade an Schwellen öffnet der Geist Perspektiven für Neues, für Möglichkeiten des Lebens – Extrem gerade auch an der Schwelle des Todes, wo das Leben über den Tod hinaus zur Möglichkeit wird.

In Wahrheit, liebe Gemeinde, ist das Fest nicht aus. In Wahrheit hat es gerade erst begonnen, mit uns begonnen. Mit dir begonnen.

Das Leben ist ein Fest, wo das spürbar und erfahrbar wird, wo der Durst nach Leben gestillt wird, wo die Freude überfließt auf andere, da wird sichtbar, dass Gottes Geist unter uns wirkt, er, der Geist der lebendig macht.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wir stehen im Morgen - Liedpredigt

„…s’ist leider Krieg – und ich begehre, nicht schuld daran zu sein!“

Fröhlich soll mein Herze springen