Was seht ihr zum Himmel...

Predigt an Himmelfahrt 2016 zu Apostelgeschichte 1, 4-12

Lukas, der Evangelist, liebe Gemeinde, war ein grandioser Maler,
ein Maler mit Worten.

Wir verdanken ihm eine Fülle der Bilder unseres Glaubens, Bilder, die sich tief eingeprägt haben in den christlichen Kulturen, Ikonen des Evangeliums:

Das Kind im Stall, die Hirten auf dem Feld, die Engel in der Nacht…, der Zöllner Zachäus auf dem Baum, die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus und …die Himmelfahrt – vieltausendfach nachgemalt zum Beispiel auf den Altären der Renaissance… der Auferstandene in weiß, die Nägelmale an Händen und Füßen, wird emporgehoben auf einer Wolke, darunter staunend und gen Himmel schauend das Publikum, die Jünger, sehnsuchtsvoll, erschrocken, irritiert…

In Klammern eine kleine kulturgeschichtliche Anmerkung: Das Motiv war damals gerade deshalb so beliebt, weil man im Theater der Zeit neue technische Entwicklungen bestaunen konnte: mit Hilfe von Aufzugstechnik war es möglich, Schauspieler empor zu ziehen und in den Himmel entschweben zu lassen.

Klammer zu und Blick… wohin?
In die Bibel, damit wir nicht einfach Publikum bleiben, das sich im Blick nach oben verliert…
Schauen wir, wie Lukas mit Worten malt.

Ich lese Apostelgeschichte 1,4-12:

Und als Jesus mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt;
denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen.
Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?
Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat;
aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern.
Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
Da kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, der heißt Ölberg und liegt nahe bei Jerusalem, einen Sabbatweg entfernt.

Gott des Himmels und der Erden, lenke unseren Blick. Hilf beim Reden und beim Hören und in beidem: Hilf beim Predigen. Amen.

Liebe Gemeinde, das Bild, das Lukas zeichnet, prägt die Ikonografie, prägt die Bildwelt der Himmelfahrt: Zusehends aufgehoben in den Himmel.

Und weg isser, der Herr Jesus, vor den Augen der Jünger, die den Hans Guck-in-die-Luft-machen.... Dass das nicht gut ist, lehrte uns Ältere in Kindertagen der unsägliche Struwwelpeter…
„Wenn der Hans zur Schule ging,
Stets sein Blick am Himmel hing.
Nach den Dächern, Wolken, Schwalben
Schaut er aufwärts allenthalben:
Vor die eignen Füße dicht,
Ja, da sah der Bursche nicht,
Also daß ein jeder ruft:
"Seht den Hans Guck-in-die-Luft !"
Und wie der so in die Luft guckt, der Hans-Guck-in-die-Luft in Hoffmanns Struwwelpeter, da marschiert er schnurstracks

„an des Ufers Rand
Mit der Mappe in der Hand.
Nach dem blauen Himmel hoch
Sah er, wo die Schwalbe flog,
Also daß er kerzengrad
Immer mehr zum Flusse trat.“


„Noch ein Schritt und plumps! Der Hanns
Stürzt hinab kopfüber ganz!“
Der Arme hat übrigens ein berühmtes Vorbild.

Vom Philosophen Thales erzählt uns Platon, dass er einmal, als er die Sterne und den Himmel beobachtete und also nur nach oben blickte, in einen Brunnen fiel.

Eine witzige und hübsch thrakische Magd, die das beobachtete, hatte nichts Besseres zu tun, als den Philosophen zu verspotten: er wolle da mit aller Leidenschaft die Dinge am Himmel zu wissen bekommen, während ihm doch schon das, was ihm vor der Nase und den Füßen liege, verborgen bleibe. (Platon, Theaitetos, 174a-b)

Schicksal der Philosophen, sagt Platon, passe doch derselbe Spott auf alle diejenigen, die sich mit der Philosophie einlassen. Und fährt mit der Kritik wie folgt fort: „Denn in der Tat, ein solcher weiß nicht von seinem Nächsten und Nachbarn“, und zwar nicht nur in dem, was er tut, sondern sogar darin, ob er überhaupt ein Mensch ist oder irgendein anderes Lebewesen.

Da hilft auch wenig, wenn man sich ein philosophisches Hintertürchen offen hält und behauptet, dafür wüssten die Philosophen eben mehr über die wahren Werte und das Wesen des Menschen…
Nein, die Kritik bleibt: Himmelfahrtsnasen haben keinen Riecher für die Menschen neben sich. Wer die Augen nur in den Himmel gucken lässt, der sieht nicht links und nicht rechts. Da verfehlt man das Leben, wenn man so in den Himmel starrt. Und da macht es keinen Unterschied, ob man ein Philosoph ist oder Theologe, Christ oder Muslim oder Jude… Wer nur in den Himmel starrt, übersieht den Menschen und die Welt, in der er lebt.

II.
Darum, liebe Gemeinde, weißt uns die Himmelfahrtsgeschichte an, den Blick zu senken: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da uns seht zum Himmel?“ – Das könnte glatt von einer thrakischen Magd gesagt sein.

Wer so glaubt, dass er nur in den Himmel guckt, wer alles von oben erwartet und die Hände in den Schoß legt, der muss ganz schön aufpassen, dass er nicht reinfällt, über andere stolpert, menschenverachtend wird, weil er alle Sinne und alles Denken und Tun nur auf den Himmel gerichtet hat.

Wer stets nach oben schaut, dem droht die Genickstarre, die die Bibel gerne auch als Halsstarrigkeit benennt.

Ja, liebe Gemeinde, es sind die unseligen Himmelfahrtskommandos dieser Welt, die nicht rechts und nicht links, nicht nach dem Menschen und nicht nach der Erde blicken.

Sie passen nicht zu dem Glauben, von dem Lukas erzählt. Denn dort fährt Jesus gen Himmel auf, damit wir uns der Erde zuwenden. Nicht ohne seine Kraft, nicht ohne seinen Geist…

Es ist ja nicht so, dass Jesus sich absetzt und wir hier im Jammertal zurückbleiben. Da könnte man ja den Kopf nur hängen lassen. Aber wer den Kopf hängen lässt, dessen Blick reicht ja auch nur wieder bis zu den Fußspitzen.

Nein, er lässt uns nicht hängen, sondern richtet uns auf mit seinem Geist, mit seiner Kraft, mit Hoffnung und Mut. „Christ fuhr gen Himmel, was sandt er uns hernieder“ fragt das alte Himmelfahrtslied, dass wir gleich im Anschluss an die Predigt singen. Und gibt die Antwort aus der Verheißung, die Jesus seinen Jüngern gibt: „Den Tröster, den Heiligen Geist…“ - ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen

III.
Also, liebe Gemeinde: Kopf hoch! Weder bis zum Himmel, noch bloß auf den Boden schauen, sondern links und rechts und hinter mich und vor mich und sehen…

Und was sehen wir da?

Eine unerlöste, heillose Welt…nicht das Reich Gottes. Das hatten sie ja gehofft, die Jünger. Aber er kommt erst wieder am Ende der Zeit.

Eine unerlöste, heillose Welt – in dieser aber ein Zeichen der neuen Zeit. „Ihr werdet meine Zeugen sein…“

Mit der Himmelfahrt beginnt die Zeit der Gemeinde. Jesus ist weg. Wir haben ihn nicht mehr leiblich unter uns – aber er sendet uns seinen Geist. Und mit ihm wird Gemeinde.

Er lässt uns nicht allein zurück, er verweist uns an die Menschen links und rechts, vor und hinter uns.

Also, liebe Leute, seid kein Hanns-Guck-in die Luft Philosoph, der nur noch in den Himmel blickt und keine Ahnung mehr hat von den irdischen Dingen, von den Menschen, mit denen er lebt und der Erde, auf der er steht.

Seid aber auch keine Erdlochgucker, die sich vor lauter Frustration über Gottes Abwesenheit und den Zustand der Welt am liebsten in ein Erdloch verkriechen wollen, sondern seid solche, die umsichtig sind…

Schönes Wort: umsichtig. Menschen, die um sich herum sehen und suchen, wahrnehmen, wie es um die Menschen und die Welt steht, Menschen, die die Liebe Gottes annehmen und weitergeben.

Dann könnte es sein, dass es auch auf Erden ein wenig himmlisch wird.
Amen.

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