Gott ist im Himmel - Du bist auf Erden



Predigt an Himmelfahrt 2013 zu Apostelgeschichte 1,4-12


Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt; denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen.
Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?
Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern.
Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
Da kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, der heißt Ölberg und liegt nahe bei Jerusalem, einen Sabbatweg entfernt

Fangen wir doch, liebe Gemeinde, einmal mit einem Gedankenspiel an:

Nehmen wir einmal an, im Rahmen der Debatte über die Arbeitswelt in Deutschland käme jemand auf den Gedanken, vorzuschlagen, den Himmelfahrtstag als gesetzlichen Feiertag abzuschaffen - das wird niemand tun, nicht wegen des Himmelfahrtstages, sondern wegen des Vatertages - trotzdem mal als Gedankenspiel: den Himmelfahrtstag streichen und man würde, anders als beim Buß- und Bettag, das Gespräch frühzeitig mit den Kirchen suchen.

Stellen wir uns vor, wir müssten den Himmelfahrtstag verteidigen, meinetwegen in einer Anhörung im Bundestag. Würde uns dann etwas einfallen?

Klar, wir würden als Kirchen wieder mit der Bedeutung eines solchen Feiertages für die gesamte Gesellschaft argumentieren, die Wichtigkeit gemeinsamer freier Zeit, Zeiten der Besinnung und des Einhalts etc. hervorheben. Alles gut und schön. Ein wohlwollendes Kopfnicken quer durch die Fraktionen.
 
Aber reicht das aus?

Vielleicht stünde da - sicher im linken Spektrum, oder im liberalen, oder im wirtschaftskonservativen oder… ist ja auch egal, aus welcher Ecke - einer auf und würde fragen: „Das ist ja alles ganz nett, aber mir ist nicht klar geworden, warum ist der Himmelfahrtstag für euch als Christen wichtig? Warum ist der Himmelfahrtstag für euch vielleicht sogar unverzichtbar?“

Liebe Gemeinde, das Gedankenspiel trifft uns in unserer Verunsicherung: Was sollen wir heute anfangen mit dieser alten Geschichte, die Dinge erzählt, die wir zum größten Teil nicht glauben können und wollen?

Finden wir einen Zugang zu jenem spröden Feiertag, dessen Bildwelt nicht passt zu unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit?

Nun ist uns ja der Heilige Geist verheißen und wollen wir hoffen, dass er uns in jener Situation eingibt, war zu reden wäre.

Das enthebt uns aber nicht der Aufgabe, einen Zugang zu finden zur Himmelfahrt.

Ich will es versuchen:

II.
Ein erster Gedanke, bei dem ich zunächst mal von dem erzählten Bild ausgehe: Jesus wird zusehends aufgehoben und in den Himmel entrückt.

Die Himmelfahrt Jesu entnimmt Jesus der Welt:

„Und als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken“ heißt es in der Vorstellungswelt des Evangelisten.

Und „während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da uns schaut zum Himmel empor?“

Und dann müssen sie wieder herunter vom Berg, hinunter ins alltägliche Leben und eben dies ihr alltägliches Leben selbst gestalten.

Gelingt uns ein Sprung aus dieser Bildwelt in unsere Wirklichkeit?

Ich glaub schon, und zwar so:

„Gott ist im Himmel und du bist auf Erden.“ Die Himmelfahrt Jesu stellt zunächst dieses Verhältnis von Gott und Welt wieder her. Gott ist im Himmel und du bist auf Erden.

Jesus wird ganz in die Göttlichkeit erhoben, und die Welt in ihre Weltlichkeit entlassen.

Der unendlich qualitative Unterschied zwischen Gott und Welt wird in der Himmelfahrt Jesu zum Ausdruck gebracht. Gott ist im Himmel und du bist auf Erden. Gott ist Gott und Welt ist Welt.

Dietrich Bonhoeffer brachte es auf den Begriff der mündig gewordenen Welt: „Und wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen, als ob es Gott nicht gäbe. Und eben dies erkennen wir - vor Gott!. Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. So führt uns unser Mündigwerden zu einer wahrhaftigen Erkenntnis unserer Lage vor Gott. Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott der uns verlässt...Vor und mit Gott leben wir ohne Gott.“

Die Welt wird in ihre Weltlichkeit entlassen. Wir Menschen werden an diese Erde und dieses Leben gewiesen. „Ihr Menschen von Galiläa, was steht ihr und starrt zum Himmel.“

Die Welt wird in ihre Weltlichkeit entlassen, das hat heilsame Konsequenzen. Weil damit alle mythischen Überhöhungen gekippt werden: Ein paar Beispiele:

Politik: lange Zeit wurde Macht als von Gottes Gnaden legitimiert. Der Herrscher beanspruchte, Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein, ja, zu Zeiten beanspruchte er gar selbst Gott zu sein. Die religiöse Selbstinszenierung des Faschismus war eine Variante dieser mythischen Überhöhungen der Macht. Und so manche Parteitagsregie setzt heute noch oder wieder auf ähnliche Effekte.

Wo die Welt weltlich geworden ist, verliert die Macht ihren Mythos. Gott ist im Himmel, du bist auf Erden.

Die Gestaltung der Zustände auf dieser Erde ist in unsere Hände gegeben. Der Streit darüber, wie diese Gestaltung zu erfolgen hat, ist eine logische Konsequenz aus unseren unterschiedlichen Interessen.

Macht kann es nur in beschränktem und zugestandenen Maß geben. Demokratie ist legitimste Form der Herrschaft in christlichem Sinn. Der Streit über politische Konzepte gehört zu unseren Aufgaben in dieser Welt und besonders in die Zeiten, da die Macht wieder neu verteilt werden soll.

Er ist auch uns weltlich gewordenen Christenmenschen aufgetragen. Dabei zählt für uns weltlich gewordene Christenmenschen zählt keine Partei qua Ideologie, sondern die bessere Politik. Wo die Welt uns weltlich geworden ist, zählen die Argumente und nicht mehr die Mythen.

Ein anderes Beispiel: Sexualität. Lange Zeit religiös aufgeladen und überhöht, so dass sich daran eine oft einengende Moral festmachen konnte. Auch hier wurden Rollen religiös zementiert: Frauen als Kultobjekt. Männer mit göttlichem Anspruch. Es hat das auch andersherum gegeben. Auch die Sexualität ist in die Weltlichkeit entlassen: Ein Schöpfungswerk Gottes, zu Freude und Genuss gegeben.

Ebenso die Natur. Sonne, Mond und Sterne sind keine Göttinnen und Götter. Und so weiter.

Gott ist im Himmel und du hier auf Erden. Die Himmelfahrt Christi weist uns zu allererst an die Erde. Sie steht uns frei zu Freude und Genuss.

II.
Ein zweiter Gedanke: Gott ist im Himmel und Du hier auf Erden - das steht nicht beziehungslos nebeneinander. Himmel und Erde sind aufeinander bezogen. Was es mit der Erde auf sich hat, wird unter dem offenen Himmel offenbar. All die Brüchigkeit der Welt wird ansichtig im Gegenüber zum Himmel.

Die Himmelfahrt Jesu setzt Himmel und Erde in Bezug zueinander, dass von der Erde zum Himmel Ausschau gehalten wird und Gott vom Himmel auf die Erde sieht, dass von unten nach oben Gebete und Flüche aufsteigen und von oben nach unten regiert wird und Segen herabkommt. Was die Erde ist, wird erst aus dieser Relation zum Himmel deutlich, und was der Himmel ist, nur aus seinem Zugewandt-sein zur Erde, das die Unterscheidung nicht aufhebt, sondern wahrt.

Was aber ist der Himmel? Wir wären schlecht beraten, wollten wir das alte Weltbild heute noch behaupten und uns Jesu Himmelfahrt bildlich vorstellen - überlassen wir das lieber den Ufologen.

Himmel in dem Sinn, wie ich ihn verstehe, das ist nicht der Ort womöglich über uns, der Ort, wo Gott ist, sondern wo Gott ist, da ist der Himmel.

Was ich damit sagen will: Der Himmel ist eine Möglichkeit für die Erde.

Jesus hat sich ja nicht in den Ruhestand verabschiedet. Gott hat sich ja nicht völlig aus der Welt herausgezogen. Es gibt nur keinen selbstverständlichen, keinen mechanischen Zusammenhang zwischen Gott und Welt, Himmel und Erde. Sondern nur einen, in dem Gott frei bleibt, die Welt aber auch.

Dass der Himmel zur Möglichkeit für die Erde wird, dafür steht sein Geist ein: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein...“

„Christ fuhr gen Himmel, was sandt er uns hernieder?“ fragt ein altes Lied, und antwortet: „Den Tröster, den Heiligen Geist“. Das ist so ein bisschen wie im Paternoster: Christus rauf, Geist runter.

Der Geist aber wirkt am, im und mit dem Menschen. Ihr werdet meine Zeugen sein. Gott selbst bindet sich so an die Menschen. Gott ist im Himmel und du auf Erden. Aber nicht beziehungslos: Gottes Geist macht Erfahrungen Gottes in der Welt möglich.

Gemeinde kann in all ihrer Verkehrtheit so eine Erfahrung sein: Dass es Menschen gibt, die in der Kälte der Welt einen Sensus für den Himmel behalten, ein Gespür dafür, dass Fressen und Saufen, Handeln und Kaufen nicht alles sind, dass das Leben Sinn macht, trotz so vieler Sinnlosigkeiten.

III
Fazit: Die Himmelfahrt befreit uns zu einem freien Umgang mit der Welt. Und macht doch dabei die Welt nicht gottlos.

Ob wir dazu einen Feiertag brauchen? Aber ja doch! Weil Feiertage immer eine Relation schaffen von Gott und Welt, von Festtag und Alltag, von Himmel und Erde – mitten im Alltagstrott die Freiheit der Kinder Gottes spüren lassen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Himmelfahrtstag!

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