Würdige deinen Nächsten wie dich selbst!



Predigt im Nachtfalter-Gottesdienst zum Thema Menschenwürde: 


Schriftlesung: 1. Mose 1,26+27
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
   

Was ist das eigentlich, liebe Gemeinde, was da angetastet wird: Diese Würde, des Menschen?

Die jüdisch-christliche Tradition sieht sie begründet in jener Gottebenbildlichkeit, von der in der Genesis gesprochen wird: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Wer einen Menschen antastet, der tastet Gott selber an.

Unsere Würde ist geschenkte Würde, mit dem Akt der Schöpfung ursprünglich.

Deshalb sind die Kirchen so zurückhaltend, wenn es um die Forschung und die Verwertung von Embryonen geht, wenn es um Abtreibung geht, oder für mich persönlich ganz nahe:

Wenn es um die Beisetzung frühverstorbener oder totgeborener Kinder, Föten oft im allerfrühestem Stadium geht: Einmal im Monat tun wird das, vom Arbeitskreis Stilles Leben, mein katholischer Kollege Markus Höyng und ich, gemeinsam mit Troisdorfer Bestattern und den Hebammen und der Trauerbegleitung am Sankt Josef Hospital.

Weil wir groß denken von der Würde auch der Allerkleinsten. Der Würde, die ihnen Gott schenkt im allerersten Beginn des Lebendigen.

Und die darum auch unverlierbar bleibt bis zum letzten Atemzug.

Die nicht verloren geht mit dem der Bettlägerigkeit der Alten, der Pampers des Greisen, dem schleimigen Röcheln zum Schluss.

Ich weiß, dass das zu denken und mehr noch, das zu leben, nicht leicht fällt.

Ist das nicht manches Mal würdelos, was wir da erleben müssen: Da in Krankenhäusern und Heimen, oder auch: Auf den Straßen und an den Haustüren. Die Prostitution der jungen Frau am Straßenstrich. Die Aggression des Versoffenen auf dem Fischerplatz. Wo ist die Würde dessen, der wieder und wieder am Pfarrhaus klingelt für 2 Euro, die reichen für 2 Flaschen billiges Bier.

Nein, einfach ist das nicht, die Würde des Menschen zu denken als das, was ihm geschenkt ist, unverlierbar von Anfang bis Ende.

II.
Michelangelo fiel es auch nicht leicht. Der Maler des Deckengemäldes der Sixtinischen Kapelle hatte ein eigenes Bild der Würde des Menschen.

Er fand sie wieder in seiner Leiblichkeit, fasziniert vom Körper, seinen Proportionen, von Muskeln und Gehirn.

Und so malt er, der wohl heimlich sezierte um die Geheimnisses des Leibes zu verstehen, malte heroische Körper gerade dort, wo es ihm um die Würde des Menschen geht.

In der berühmten Erschaffung Adams fast mit Händen zu greifen.

Ein muskulöser Körper, ein würdiger Mensch, geschaffen als Ebenbild eines ebenfalls muskulösen, durch und durch körperlichen Gottes.

So schuf Gott den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Und dieses Bild ist weiß, männlich und muskulös. Wie der Gott, der ihn geschaffen hat.

Liebe Gemeinde, vielleicht sind wir hier einer religiösen Wurzel als Missachtung von Menschenwürde auf der Spur. Jener Korrespondenz, jener Entsprechung von Gottes- und Menschenbild.

Das Bild von Gott prägt das Bild des Menschen. Und das Bild des Menschen prägt das Bild Gottes.

Michelangelo, der die Würde im muskulösen, wohl proportionierten, weißen und männlichen Körper sah, macht sich ein Bild von Gott als muskulösem, wohl proportioniertem, weißen und männlichen Körper.

Wie schnell mag diese Korrespondenz zwischen Menschenbild und Gottesbild in die Irre führen:

Weil Gott ein Mann ist, zumindest in dem Bild, das man sich lange Zeit von ihm gemacht, liegt es nahe, dem anderen Geschlecht nicht die gleiche Würde zukommen zu lassen, wie den Männern.

Weil das Gottesbild weiß ist, den Farbigen nicht die gleiche Würde.

Und warum ist er weiß oder ein Mann? Weil es dann doch sehr schnell die Rückschlüsse sind von sich selbst auf Gott.

Wer die Menschenwürde in der Ebenbildlichkeit geschenkt sieht, tut gut daran, sich an das biblische Bilderverbot zu halten: „Du sollst Dir kein Bild von Gott machen.“

Weil unweigerlich dieses Bild die Würde anderer antasten würde.

All unseren Zerrbildern zum Trotz gibt es für uns doch nur das eine Bild Gottes, das wir zu Gesicht bekommen: Das des Menschen Jesus Christus, der einen unwürdigen Tod stirbt am Kreuz. Und gerade darin erkannt wird als der Sohn Gottes.

Wo anders wird deutlicher, dass die Würde des Menschen unverlierbar zu ihm gehört, zu ihm gehört auch dort, wo er scheitert, wo er zerbricht, wo er versagt, wo er stirbt.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, selbst dort, wo Menschen angetastet, zerstört und vernichtet werden.

Macht sich nicht fest an Leistung, Erfolg, Ämtern und Wohlstand, Gesundheit und Kraft.

Sondern schlicht nur daran, dass wir Geschaffene sind, von Gott gewollt, ihm gegenüber.

III.
Ach ja, wir.

Das sollten wir noch einmal hören, heute hier in diesem Gottesdienst.

Dass diese Würde, die unverbrüchlich, unantastbar, geschenkte Würde ist, dass diese Würde niemals nur die Würde anderer ist.

Da sind wir ja in einer Kirche, die Kirche für andere sein will, immer schnell dabei, einzutreten für Menschenwürde, für Menschenrechte und Gerechtigkeit in aller Welt.

Und vergessen darüber so manches Mal, dass diese Würde auch unsere Würde ist. Meine. Deine.

So wie ich bin.

Von Gott geschenkt. Vom ersten Tag des Lebens bis zum jüngsten Tag.

Meine Würde. Ich selbst bin es ja, von Gott geschaffen zu seinem Bild.
Mich selber würdigen, vielleicht ist es ja die Voraussetzung, aus der heraus ich Sensibilität, Kraft und Mut finde, auch die anderen zu würdigen, einzutreten für ihre Würde, ihre Rechte.

Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst, heißt das Gebot der Doppelliebe.

Würdige Deinen Nächsten, würdige aber auch dich selbst.

Darin wollen wir uns einüben, heute in diesem Gottesdienst und der kommenden Zeit.

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