"Was glotzt ihr zum Himmel?"

Predigt an Himmelfahrt zu Epheser 1,15-23
Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,
höre ich nicht auf, zu danken für euch,
und gedenke euer in meinem Gebet,
dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus,
der Vater der Herrlichkeit,
euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen.

Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid,
wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist
und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde,
mit der er in Christus gewirkt hat.

Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel
über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.

Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles,
welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Liebe Gemeinde, da müssen einem schon erleuchtete Augen des Herzens gegeben sein, um so über die Kirche reden zu können.

Wer aber sagt, dass dieses Wunder nicht auch heute geschehen könnte, unser Gebet erhört werden könnte, und Sie heute aus der Kirche gehen und sie mit anderen Augen sehen, als noch vor dem Läuten der Glocken?

Die Kirche:

Als Institution in der Krise wie alle Institutionen und als Organisation hilflos paddelnd bei stürmischem Wind, der uns mal mit einer kräftigen Austrittswelle zurückwirft, mal finanziell auf Grund laufen lässt, dann geht mal wieder ein Mann – oder ein paar mehr – über Bord und schwächt die Mannschaft, die sich von Optimierungsprozess zu Optimierungsprozess getrieben sieht.

Und dann gibt es noch die wilde Piraterie jener, die die Kirche als Selbstbedienungsladen missverstehen und nicht davor zurückschrecken, sich ihrer zu bedienen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wie Macht, Selbstdarstellung, Vorteilsnahme oder auch – und es empört zu Recht – ihrer unbefriedigten Sexualität.

Ein nüchterner Blick auf die Kirche bei dem die Augen vielleicht nur glänzen, weil einem zum Heulen zu Mute ist.

Aber ist das unser Blick?

II.
„Er gebe Euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid…“

Um einen Perspektivwechsel geht es offenbar dem Schreiber des Epheserbriefes.
Und er macht es vor, wenn er dankt für den Glauben, der in einer Gemeinde gelebt wird und die Liebe, die Menschen miteinander verbindet: „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken.“

Das ist eine neue Perspektive: Dass wir erst einmal mit dem Danken anfangen. Als Gemeindeglieder, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haupt- und Ehrenamt, als Presbyterinnen und Presbyter.

Wenn wir das nicht mehr können, dankbar zu sein für diese Gemeinde, diese Kirche, wieso erwarten wir dann, dass die Gesellschaft ihr mit Achtung und Respekt begegnet?

Um einen Perspektivwechsel geht es, darum, dass wir unseren Blick nicht gefangen nehmen lassen von dem, was wir alles Negatives sehen können an der Kirche.

Denn das ist es ja nicht, was die Kirche ausmacht.

Das ist nicht ihr Wesen, und es muss darum auch nicht so bleiben.

Nichts von dem, was wir tun oder lassen, was wir versäumen oder verpatzen, was wir ignorieren oder arrogant eliminieren, nichts davon muss so bleiben, wie es ist.

Denn das Wesentliche ist nicht das, was vor Augen steht. Wie heißt das noch beim kleinen Prinzen: Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

"Er gebe Euch erleuchtete Augen des Herzens" , heißt es im Original.

III.
Was aber ist das Wesentliche?
Oder: Wozu gibt es die Kirche?

Wir feiern heute Himmelfahrt. Die alten Bilder sind für  uns heute meist schwer verdaulich: Was aber steckt dahinter?

Wenn Sie mich vor dem Hintergrund unseres Predigttextes fragen, dann geht es bei der Himmelfahrt um sozusagen eine Urgeschichte zur Begründung von Kirche – und die geht so:

Christus lebt nicht mehr in der Gestalt eines einzigen Menschen unter uns. In dieser Weise ist er uns Menschen entzogen. Sondern er lebt nun fort mit seinem Geist und seiner Kraft in der Kirche als seinem Leib.

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und klotzt zum Himmel“, heißt es in der Himmelfahrtsgeschichte, wie sie die Apostelgeschichte erzählt. Christus lebt als Gemeinde unter uns.

Als Gemeinde, nicht zwingend als Institution Kirche.

Sondern da, wo sein Geist weht – wir gehen auf Pfingsten zu, da wo sein Geist weht, und da wo seine Macht und Kraft sich lebendig erweisen, wir kommen her vom Osterfest, da ist Kirche.

Himmelfahrt bindet Ostern und Pfingsten zusammen, Leben, Tod und Auferstehung Jesu und das Sein und Werden von Kirche.


Das sind jetzt schöne theologische Sätze. Aber was heißt das denn für uns konkret?


IV. Himmelfahrt - Kirche, ein Ort der Freiheit
Ein erstes: Da wird die Himmelfahrt Jesu im Predigttext verbunden damit, dass Christus eingesetzt ist zur Rechten Gottes des Vaters und gesetzt ist über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und was sonst einen Namen hat, nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.

Was damit umschrieben wird, ist Gottes Macht in Zeit und Raum. Oben und unten – diese und die zukünftige Welt.

Welche Kraft wirkt da heraus?

Es ist die Kraft der Freiheit, der Unabhängigkeit. Gott schenkt uns Freiheit von allen Mächten und Gewalten, Bindungen und Fesseln.

Und eine Kirche, die in der Kraft Gottes lebt, ist der Ort, an dem diese Freiheit gelebt wird.

Freiheit, die sich zum Beispiel darin zeigen kann, dass ich mir die Frage stelle, was mir denn wirklich wichtig ist im Leben.

Freiheit, die sich darin zeigen kann, das Nötige zu tun, auch wenn es nicht Trend ist.

Freiheit, die sich im Widerstand äußern kann gegen Ansprüche von Staaten und Mächten und koste es Privilegien oder gar das Leben.

Gottes Kraft und Macht schenkt Freiheit. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

V. Ostern - Kirche, ein Ort des Lebens
Ein zweites: Da ist von Ostern die Rede. Gott hat Christus von den Toten auferweckt.

Was damit umschrieben wird, ist die Rehabilitierung des Opfers.
Jesus ist das Opfer menschlichen Tuns geworden. Mit allem, was dazu gehört: Dem Quälen des Lebenden, dem Entwürdigen und Verachten, dem Beschneiden von Lebensraum und letztlich dem Tod.
Ein Opfer, wie es viele gibt.

Aber Gott hat sich dieses Opfers angenommen, hat ihn aufgerichtet und Würde und Macht und Hoheit verliehen.

Was für eine Kraft erwächst daraus für uns, von denen der Epheserbrief schreibt, wir seien mit auferweckt?

Es ist die Kraft der Würde und des aufrechten Ganges der Gedemütigten und Gebeugten.

Wir brechen aus aus der Opfermentalität, die sich immer nur als den Sachzwängen ausgeliefert empfindet.

Wir stehen auf und treten den Tätern entgegen.

Wir nehmen das Zepter in die Hand und geben denen, die unter die Räuber gefallen sind, wieder Halt und Mut.

Und vor allem, es ist die Kraft, die uns die Macht des Todes überwinden lässt. Die Angst, das treibende Gefühl, im Leben etwas zu verpassen,…

Die Kraft seiner Auferstehung ist unter uns wirksam. Darum ist die Kirche ein Ort des Lebens.

VI.  Pfingsten - Kirche, ein Ort des Mitempfindens
Dazu bedarf es noch des dritten:

Da ist nun letztlich von der Kirche die Rede, die sich dem Geist der Weisheit und Offenbarung verdankt: Pfingsten feiern wir das.

Sie wird als Leib Christi beschrieben.

Welche Kraft wächst da heraus?

Es ist die Kraft, zu spüren, dass Christus uns gewollt hat, um sein Werk in Zeit und Raum fortzuführen. Wir stehen an Christi statt in dieser Welt.

Nicht dass sich daraus ein Herrschaftsanspruch ableiten ließe, das wäre ein Missverständnis: „Wir bitten an Christi statt…“ schreibt der Apostel Paulus.

„Bitten“ ist die angemessene Haltung der Stellvertreter Jesu auf Erden.

So wie Jesus als Irdischer wohl machtvoll beschrieben wird gegenüber Geistern, Dämonen, Mächten und Naturgewalten, nicht aber gegenüber Menschen, denen er mit Milde und Sanftmut, mit Wort und Argument, mit Streit und Versöhnung begegnete.

Das Bild vom Leib wird gerade dazu verwendet, Herrschaftsansprüche untereinander abzuwenden und in den Blick zu bekommen, dass wir nur miteinander Kirche sind.

Vielmehr gilt ein anderes: Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit. Kirche ist der Ort des Mitempfindens. Weint mit den Weinenden, seid fröhlich mit den Fröhlichen. Ein Ort, wo Menschen Anteil aneinander nehmen. Hier vor Ort und weltweit. Und darum füreinander da sind, füreinander einstehen.

Ein Ort, der über sich hinausweist auf die Fülle, die Gott uns Menschen schenkt, an dem darum gelobt und gebetet wird, gefeiert und musiziert, gelacht und diskutiert, geliebt und geglaubt und gehofft.

Nichts davon zu sehen?

Dann lasst uns beten:

Gott, darum bitten wir dich,
dass du uns erleuchtete Augen des Herzens gibst,
damit wir deine Kraft und Stärke unter uns erkennen und sie leben.
Die Kraft Deiner Macht über Mächte und Gewalten,
dass wir es lernen, in Freiheit zu leben.
Die Kraft Deiner Auferstehung,
dass wir das Leben leise lernen.
Die Kraft Deines Geistes,
dass wir werden, was wir sind.
Amen.

Kommentare

  1. A. und H. O. aus T.29. Mai 2012 um 10:25

    Danke!
    Eine Mut machende Predigt (Am Pfingstsonntag hörten wir praktisch eine Fortsetzung: 1.Kor 2,12-16).
    Noch ein Wunsch: Wenn schon ein Programmzettel ausgeteilt wird, dann wäre u.E. dort die schriftliche Vorlage des langen und komplexen Textes hilfreich gewesen.

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