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Gebet als Widerstand

Eine Predigt in fünf Akten zu 2. Mose 32, 7-14 I. Akt: Vor dem Altar auf offener Bühne „Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruß; Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss…“ So beginnt in Berthold Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ der Epilog… …nachdem die drei Götter auf der Suche nach dem guten Menschen die Rolle des Gutmenschen der armen Prostituierten Shen Te zugesprochen haben, die aber verzweifelt feststellen musste, dass sie als guter Mensch in einer schlechten Welt nicht gut sein kann. Die Götter interessiert es wenig. Sie singen ihr „Terzett der entschwindenden Götter auf der Wolke“ und entfliehen aus dem Dilemma des guten Menschen, während sich der Vorhang schließt. Vor den Vorhang tritt ein Spieler und wendet sich entschuldigend an das Publikum mit einem Epilog, einer Nachrede auf das Stück: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen Den Vorhang zu und alle Fragen offen. […] Vielleicht fiel uns aus lauter Furcht nichts ein. Das kam schon vor. Was könnt die Lösung

Wir sind alle Gottes Kinder!

Predigt zu Galater 4,1-8 in der Christvesper an Heilig Abend 2023 in der Markuskirche Hemmerich  Liebe Gemeinde, ich gestehe ja: Ich mag es… vorübergehend jedenfalls: Ich mag den Glanz der Lichter, den Duft der Tannennadeln, die Buden auf dem Weihnachtsmarkt, den Baum im Wohnzimmer, die Lieder in den Ohren… bis ich irgendwann die Nase voll habe von all dem Glühweinduft und die Ohren keine „Stille Nacht“ mehr hören können und ich froh bin, wenn der Weihnachtsbaum nicht mehr die gewohnte Ordnung des Wohnzimmers durcheinanderbringt. Weihnachten ist ein Fest der Sinne und in all seiner Sinnlichkeit auf Dauer für mich eine Reizüberflutung: Laut und grell und viel zu viel. Kann es das geben: Zu viel Weihnachten? Irgendwann sitze ich da und frage mich erschöpft, ob es denn anders sein könnte, ohne so viel Brauchtum, so viel Licht, so viele Lieder, soviel „Weihnachten“… und was dann davon übrigbliebe, von einem Weihnachten ohne Weihnachten. Ob uns zumindest der gedan

Tu Deinen Mund auf für die Schwachen

  Predigt zu Sprüche 31, 8f im Gottesdienst zur Verabschiedung von Ulrich Hamacher als Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Bonn und Region am 01. Dezember 2023 in der Schlosskirche Bonn „Die Bedingung meiner Teilnahme an der Einladung war, dass als große Kirchenfrage mit vorangestellt werde die kirchliche Praxis, der Satz, dass die Kirche als Kirche in Beziehung auf die Praxis eine große Schuld zu tilgen und ein Neues zu beginnen habe.“ Liebe Gemeinde, am 22. September 1848, vor 175 Jahren also, begann der Hamburger Pastor Johann Hinrich Wichern auf dem Wittenberger Kirchentag mit dieser Krisenbeschreibung seiner Kirche eine Stehgreifrede, deren Wirkung uns letztlich auch heute hier zusammenführt. Sensibel für die gesellschaftliche Lage, die gekennzeichnet ist von der Verelendung der Massen und der Ignoranz der Eliten, konstatiert Wichern das Versagen kirchlicher Praxis. Wie sah die aus? Theologisch vertraute man auf die Taufe… und da in einer Zeit, in der den